des königlichen Geheimen- Staats- und Mini-
sters der geistlichen Angelegenheiten und des
öffentlichen Unterrichts
Herrn Freyherrn von Altenstein
Excellenz.
Hochverehrter und Hochgebietender Herr
Geheimer-Staats-Minister!
Wenn ich es wage (Ew.)Euer Excellenz mich ehrerbietigst
mit einem Gesuche zu nahen, von dessen geneigter Auf-
nahme die Erreichung des mir vorgesteckten Zieles, mich
zum öffentlichen Lehrer auszubilden und somit auf die
meinem innern Berufe entsprechendste Weise mir eine
würdige Existenz zu bereiten, zum großen Theil abhängt,
so finde ich die Ermuthigung zu diesem Schritte, wesent-
lich in der wohlbegründeten Überzeugung, daß (Ew.)Euer Ex-
cellenz allen auf Förderung der geistigen Ausbildung
gerichteten Anstrengungen Hochdero huldreichen Beystand
angedeihen zu lassen gewohnt sind.
Von früher Jugend an zu einem wissenschaftlichen
Leben hingezogen und nur durch den Wunsch
meiner Eltern und meine äußern Verhältnisse, zu Befol-
gung einer practischen Laufbahn bestimmt, habe ich im
September des vorigen Jahres, da ich eben dahin ge-
diehen war, durch eine definitive Anstellung im Ver-
waltungsfach, mir für mein übriges Leben einen be-
stimmten Platz in der bürgerlichen Gesellschaft angewiesen
zu sehen; mein bisheriges Verhältnis als Referenda-
rius bey der Königlichen Regierung zu Erfurt auf-
gegeben und seitdem mich ausschließend mit meiner
weitern wissenschaftlichen Ausbildung beschäftigt, nach-
dem ich bereits früher, seit meinem im Frühling 1813
erfolgten Abgang von der Universität zu Heidelberg
alle während eines zweymaligen Kriegsdienstes und
neben meinem demnächstigen fernern Berufsgeschäf-
ten mir verbliebene Muße auf wissenschaftliche Be-
strebungen verwendet hatte. -
Zum Theil bey mir selbst noch zweifelhaft darüber,
wie ich meinen Plan als academischer Docent aufzu-
treten, auf die angemessenste Weise würde zu ver-
folgen haben und ob es nahmentlich zweckmäßig sey
[7v]mich auf den Theil des Wissens, worin ich bereits näher
bewandert, auf Geschichte, Politik und Staatswirthschaft
nähmlich, zu beschränken und in das Kurze lehrend
damit hervorzutreten, oder ob es nicht vielmehr
nothwendig sey meiner intellectuellen Ausbildung zu-
vörderst noch eine tiefere und mehr philosophische
Begründung zu geben und zu dem Ende noch eine
Zeitlang ruhig fortzustudieren, - sah ich mich als-
bald nach meiner Ankunft hier in Berlin, nachdem ich
die Vorlesungen des Herrn Professor Hegel zu be-
suchen angefangen hatte, auf das Bestimmteste für das
Letztere entschieden. Ich habe durch den Besuch jener
Vorlesungen und durch das seitdem mit besonderer
Neigung getriebene Studium der speculativen Philo-
sophie, klar einsehen gelernt daß es ein eitles Un-
ternehmen gewesen seyn würde schon damals mit
meinem einer ächt wissenschaftlichen Begründung noch
so sehr bedürftigen Wissen, als öffentlicher Lehrer
aufzutreten und habe es deshalb, da meine äu-
ßern Verhältnisse mich gleichwohl dringend auffor-
derten auf einen eignen Erwerb zu denken, durch
nebenbey unternommene litterarische Arbeiten und
durch äußerste Sparsamkeit, bisher möglich zu ma-
chen gesucht mich hier zu erhalten um, in der ange-
deuteten Art, meiner weitern wissenschaftlichen Aus-
bildung obzuliegen.
Zu besonderer Ermuthigung auf der von mir be-
tretenen Laufbahn gereichte es mir, bereits zu
Anfang des vorigen Semesters mein Unterneh-
men, die bis dahin vom Doctor Carové gehaltenen
Repetitorien über die philosophischen Vorlesungen
des Herrn Professor Hegel fortzusetzen, mit Bey-
fall aufgenommen1 und durch {ausgedachten} Herrn
Professor gebilligt zu sehen, auch bald darauf durch
Letzteren zu erfahren daß er es dem bessern Fort-
gang der philosophischen Studien seiner Zuhörer
für entsprechend erachtet habe, bey (Ew.)Euer Excellenz
darauf anzutragen mich zum öffentlichen Repe-
tenten bey der philosophischen Fakultät der hiesigen
Universität zu ernennen. – Doppelt erfreulich muß-
te mir die auf solche Weise eröffnete Aussicht er-
scheinen, da ich nunmehr nicht nur den bisherigen
Übelstand die gedachten Wiederhohlungen, zum we-
sentlichen Nachtheil des Unternehmens selbst, auf mei-
nem Zimmer halten und, bey der nothwendig ge-
[8r]wordenen Theilung der zu den Repetitorien sich Einfindenden
denselben Gegenstand zweymal vortragen zu müssen,
beseitigt, sondern mir auch zugleich die äußern Mit-
tel geboten zu sehen hoffen durfte, fernerhin ohne zeit-
raubende Nebenbeschäftigung, meine ganze Thätigkeit,
unter so günstigen Verhältnissen, zugleich lernend und
lehrend, auf meine weitere Ausbildung für den von
mir erwählten Beruf verwenden zu können. – Wäh-
rend ich in so heiterer Erwartung mit verdoppeltem
Eifer meinen wissenschaftlichen Beschäftigungen oblag,
sah ich mich plötzlich durch die wegen vermeintlicher
Theilnahme an geheimen politischen Verbindungen und
Umtrieben im Laufe des verflossenen Sommers gegen
mich verhängte Untersuchung, auf eine für mich eben
so unerwartete als schmerzliche Weise, mitten in mei-
nen Bestrebungen unterbrochen. - Noch bis diesen
Augenblick ist es mir völlig unbekannt wodurch ein
so schwerer Verdacht hat gegen mich entstehen können,
da der alsbald nach meiner Verhaftung mir gemach-
ten Eröffnung, daß ich der Theilnahme an einer die ge-
waltsame Umwandlung der Verfassung der teutschen
Staaten und nahmentlich des preussischen Staates, be-
zweckenden geheimen Verbindung angeklagt sey, bey
meinen Vernehmungen nichts Weiteres hinzugefügt
worden ist, wodurch ich über die Veranlassung der ge-
gen mich ergriffenen Maßregeln hätte zu einiger
Aufklärung gelangen können.2 - Bey meinen Vernehmun-
gen hat man sich im Wesentlichen darauf beschränkt, über
den Inhalt einer Anzahl bey mir vorgefundener Brie-
fe von Verwandten, Freunden und Bekannten, in so weit
darin Urtheile und Aeußerungen über öffentliche An-
gelegenheiten vorkommen, Auskunft von mir zu erfor-
dern, mich über meine frühern Verhältnisse und über
die Gründe die mich bestimmt haben den Staatsdienst zu
verlassen zu befragen und mir demnächst eine Reihe
zum größten Theil rein theoretischer Fragen über
Verfassungs- und damit verwandte Angelegenheiten
vorzulegen. - Nach siebenwöchentlicher Gefangen-
haltung ist mir endlich die Genugthuung geworden
mich von einem Hohen Ministerio des Innern und
der Policey für schuldlos anerkannt3 und mich wie-
der in Freyheit gesetzt zu sehen. Bey der von der
damals bestandenen (Königl.)Königlichen Ministerial-Unter-
suchungs-Commission über meine Entlassung aufge-
nommenen protocollarischen Verhandlung, sah ich mich ver-
anlaßt auf Aushändigung eines Zeugnisses über den
[8v]Ausfall der gegen mich verhängten Untersuchung anzutra-
gen und zu näherer Begründung dieses Antrags machte
ich der gedachten (Königl.)Königlichen Commission bemerklich, wie es
nahmentlich für mich von Wichtigkeit sey, mich durch ein solches
Zeugniß, über den Ungrund des gegen mich ent-
standenen Verdachts, bey (Ew.)Euer Excellenz auf eine genügen-
de Weise legitimieren zu können. Obschon die Gewährung
meines Antrags mir ausdrücklich zu Protocoll zugesi-
chert wurde, so eröffnete mir gleichwohl am folgenden Tage,
da ich eben im Begriff war nach meiner Vaterstadt, Gotha,
abzureisen, um dort die noch übrige Zeit der Universi-
tätsferien zuzubringen, die erwähnte (Königl.)Königliche Commission,
wie es ihr bey nochmaliger Erwägung jenes Antrags
(dessen Gewährung mir bereits zugesichert war) nicht
zweckmäßig erschienen sey, demselben in der von mir
gewünschten Art zu genügen, daß sie indeß dem
ihr vorgesetzten Hohen Ministerio darüber Anzeige
gemacht und bey demselben darauf angetragen habe
(Ew.)Euer Excellenz von dem Ausfall der gegen mich ver-
fügt gewesenen Untersuchung unmittelbar in Kenntniß
zu setzen. - Welche Gründe die mehrerwähnte (Königl.)Königliche
Commission dazu veranlaßt haben das mir geleistete
Versprechen zurückzunehmen und ob dabey vielleicht
die Besorgniß zum Grunde gelegen hat, ich möchte
von einem solchen Zeugniß einen zu öffentlichen Ge-
brauch machen, darüber wage ich nicht zu entscheiden.4
Da es vor der Hand außer meinem Interesse lag,
mich über den Ausfall der gegen mich verhängten Unter-
suchung außer gegen (Ew.)Euer Excellenz sonst noch amtlich
auszuweisen5, so nahm ich umso weniger Anstand mich
bey dem Beschluß der mehrgedachten (Königl.)Königlichen Commission
zu beruhigen, da mir damals Alles daran gelegen
war, möglichst bald nach meiner Heimath zu gelan-
gen um meiner kränklichen und durch den Unfall der
mich betroffen aufs äußerste gebeugten Mutter,
diejenige Beruhigung zu gewähren, die ihr nur durch
meine Gegenwart selbst vollständig zu Theil wer-
den konnte.
Mit dem Schluß der academischen Ferien bin ich, um
die von mir betretene Laufbahn weiter zu verfol-
gen, hierher zurückgekehrt und ich darf wohl mit
Gewißheit voraussetzen, daß (Ew.)Euer Excellenz inmit-
telst von dem Hohen Ministerio des Innern und der
Policey, darüber daß ich völlig schuldlos befunden
worden bin, genügende Auskundt erhalten haben.6 In-
dem ich es sonach nunmehr wage mich Hochdensel-
[9r]ben mit der ehrerbietigen Bitte zu nahen, mich durch
die Ernennung zum Repetenten bey der philosophischen
Fakultät der hiesigen Universität, in den Stand zu se-
tzen meine Ausbildung für den Beruf eines academi-
schen Lehrers zu vollenden7, erlaube ich mir mich
hinsichtlich meiner diesfalsigen Qualifikation, auf das
Zeugniß des Herrn Professor Hegel zu berufen. -
Daß es mir vor allen Dingen wahrhaft darum
zu thun ist mich für meinen Beruf gehörig zu befähi-
gen und zugleich schon jetzt, so viel in meinen Kräften
steht zu Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung mei-
ner jüngern Commilitonen beyzutragen, mögen (Ew.)Euer
Excellenz daraus zu entnehmen geruhen, daß ich nicht
nur bereits über die beyden Vorlesungen welche
der Herr Professor Hegel im Laufe dieses Semesters
hält, Repetitorien begonnen, [sondern] auch gleichzeitig
den Anfang gemacht habe mit mehrern Zuhörern
des {ausgedachten} Herrn Professors dessen, im ver-
flossenen Sommer gehaltenen Vorträge über die
Logik zu wiederhohlen und, wenn es meine äußern
Verhältnisse nur irgend verstatten, jedenfalls ent-
schlossen bin mit diesen Beschäftigungen so lange fort-
zufahren8, bis daß ich als selbstständiger Lehrer mit
Nutzen aufzutreten mich werde in den Fall gesetzt
sehen. -
Indem ich (Ew.)Euer Excellenz hochgeneigter Entscheidung
die Berücksichtigung meines ehrerbietigen Gesuches
vertrauensvoll anheim stelle, sey es mir noch ver-
stattet hinsichtlich der der Gewährung dieses Gesuches
vielleicht entgegen stehenden Bedenken zu erwähnen,
daß ich von der Wichtigkeit der Stellung eines öffent-
lichen Lehrers zu lebhaft durchdrungen bin um nicht
überzeugt zu seyn, daß auch der sittliche und staatsbür-
gerliche Ruf desjenigen der darauf Anspruch macht
an der Ausbildung des heranwachsenden Geschlechts An-
theil zu nehmen, durchaus unbescholten seyn muß und
daß ich sonach, wenn ich mich hinsichtlich des gegen mich
entstandenen Verdachts der Theilnahme an verbrecheri-
schen Unternehmungen, nicht als völlig gereinigt be-
trachten zu dürfen glaubte, es nicht gewagt haben wür-
de (Ew.)Euer Excellenz mit einem Gesuche zu behelligen9, des-
sen Gewährung ein so wesentliches Hinderniß würde
entgegen gestanden haben. (Ew.)Euer Excellenz werden in-
deß selbst ermessen, daß ich nicht blos als von
der Instanz freygesprochen zu betrachten bin, da sich
nicht einmal hinreichender Grund ergeben hat mich vor
Gericht zu stellen, sondern vielmehr in der von dem
[9v]Hohen Ministerio des Innern und der Policey über meine Freylas-
sung ergangenen und mir vorgelegten Verfügung, aus-
drücklich gesagt worden ist, daß ich der Theilnahme an
geheimen Verbindungen und sonstigen staatsgefährlichen Un-
ternehmungen, unschuldig befunden worden sey.10 Wenn ich
sonach mit Grund annehmen darf, daß ich in den Augen
derer die mich kennen und auch in der öffentlichen Meinung,
aus der gegen mich verfügten Untersuchung ohne Befle-
ckung meines guten Nahmens hervorgegangen bin und
ich mich, nach jenem Unfall, bereits mannigfaltiger Be-
weise von Wohlwollen und Theilnahme zu erfreuen ge-
habt habe, so bleibt mir zunächst nur noch der, gewiß
nicht unbescheidene, Wunsch übrig, nunmehr auch von
dem Staate selbst, dem ich mich aus freyer Wahl und
in der Überzeugung daß darin Gerechtigkeit und groß-
artiger Sinn mehr als in allen andern teutschen Staa-
ten einheimisch sind, angeschlossen, dessen Dienst ich be-
reits vier Jahre mit treuem Bemühen und mit Auf-
opferung eines großen Theils meines geringen väter-
lichen Erbes, gewidmet11 und für den ich mit freudigem
Gefühl die Waffen getragen habe, - mir nicht sowohl
äußerer Ersatz für das in einer bewegten Zeit und
in Folge außerordentlicher Maaßregeln, erduldeten Un-
gemach, sondern vielmehr ein Beweis von Vertrau-
en und Gelegenheit mich für dessen Dienst auf eine
würdige Weise ferner auszubilden, gewährt werden
möge.12
(Ew.)Euer Excellenz
unterthänigster
(Wilhelmsstraße Nr: 71.)
- Rechtsinhaber*in
- Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 25. November 1819. Von Henning an Altenstein. Z_1819-11-25_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-107B-6