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(24. Oktober 1817:) Einige anhaltend heitere Tage haben mir die Freude verschafft, alle die Irrthümer, in denen meine Ansicht von den entoptischen Farben bisher noch verwickelt war, so ganz verschwinden zu sehen, daß ich nunmehr Ihre und Seebeck's Aufsätze durchaus verstehe, und mich mit Ihnen überall ganz einverstanden finde. Außer den Erscheinungen am Doppelspathe, habe ich sie nunmehr alle wahrgenommen, alle gesetzmäßig und folgerecht, wovon mir doch einige viel zu schaffen gemacht haben. So ist es z. B. verwirrend zu sehen, wenn ich zu der Zeit, wo das oblique Licht in's Fenster fällt, das directe Licht hingegen vorbeistreift, den Rücken gegen das Fenster gekehrt, den einfachen schwarzen Spiegel und den Würfel darauf vor mir halte, wie bei abgeänderter Neigung des Würfels bald das weiße, bald das schwarze Kreuz im Spiegel erscheint, ohne daß die Richtung weder des Spiegels noch des Würfels verändert wird. Bei näherer Betrachtung zeigt sich deutlich, daß in dem Falle, wo das oblique Licht von oben her gerade durch das Fenster auf den Würfel fällt, das schwarze Kreuz erscheint, hingegen im anderen Falle das wegen der jenseit der Straße belegenen Häuser vom untern Theile des Glasfensters auf den Würfel gespiegelte directe Licht das weiße Kreuz hervorbringt. Nun verstehe ich auch die Wolken erst, denen ich in meinem vorigen Briefe eine[167]ganz falsche Rolle zugetheilt hatte, da sie in jenem Falle doch nur als Reflectoren des directen Lichts wirkten.

(Fortsetzung vom 28. Oktober 1817:) Ihre Bemerkung wegen der Wirkung des directen und obliquen Wiederscheines auf das Maler-Atelier ist mir von Schinkel bestätigt worden, der, weil das seinige gegen Abend belegen ist, nie begreifen konnte, warum er um die Mittagszeit eine so unangenehme Beleuchtung hatte. Er ist deshalb genöthigt gewesen, meistens nur in den Frühstunden des Morgens zu malen, welches übrigens, da es mit seinem Fleiße und seinen sonstigen vielen Tagesgeschäften übereinstimmte, ihm ganz angenehm war. Vielleicht kann man sich daraus erklären, warum seine Bilder etwas Mißfärbiges haben; sie ertragen das hohe Licht nicht wohl, weil sie nicht darin gemalt sind, oder man möchte ihnen wohl ansehen können, daß sie zum Theil in obliquem Lichte gemalt sind. Also Gemäldegallerien würde man vorzugsweise auch nur von Mitternacht her beleuchten müssen, und es wird nur eine kurze Zeit des Tags, eigentlich gar nur Augenblicke, nur einzelne Puncte geben, wo man Gemälde richtig sehen kann. Da es einmal so ist, erfreuen wir uns der Einsicht, daß es so ist, wenn gleich, ehe man sich mit dem Gedanken vertraut gemacht hat, etwas Aengstliches darin liegt. ...

(Fortsetzung vom 31. Oktober 1817:) Da ich gestern den Prof. Weiß, den Mineralogen, antraf, und ihn um Mittheilung von Doppelspath aus dem mineralogischen Cabinet zu optischen Versuchen ersuchte, erfuhr ich von ihm, daß ihre Entdeckung der Wirkung des directen und obliquen Lichtes, vermöge des Sonnenstandes, unter den hiesigen Physikern zu spuken anfängt; aber sie scheinen nicht gern gestehen zu wollen, daß sie diesen wichtigen Aufschluß Ihnen zu danken haben, und Herr Weiß that fremd und betroffen, als ich ihn auf Ihr im Juli erschienenes Heft zur Morphologie verwies.

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(Fortsetzung vom 1. November 1817:) ...

Das zur Gemäldegallerie in Verbindung mit der Academie aufgeführte Gebäude ist fertig geworden, und wenn Sie künftiges Frühjahr hier sein werden, ist hoffentlich die Gallerie, wenigstens die Guistiniani'sche, schon aufgehängt. In künftigem Jahre werden die Bauten zur Aufnahme der Antikensammlung fortgesetzt, die jetzt noch in den Schlössern zerstreut ist.

Schätzbarer als die Königliche Gemäldesammlung ist aber in der That schon jetzt de Sammlung meines Freundes Solly, und sie wird es täglich mehr. Es ist zum Erschrecken, was man zu sehen bekommt an Werken der alten Schulen vor 1500; aus diesen Sachen begreift man erst, wie die Kunst in jener Zeit einen so plötzlichen Aufschwung nahm, und mit Raphael gleichsam zu Grabe gehen mußte. Da wir hier von jenen älteren Sachen bisher nichts zu sehen bekamen, werden wir durch diese Sammlung erst zu einem Studium der Geschichte der Kunst in den Stand gesetzt, und man lernt nun erst Raphael und seine Epoche auf die würdige Weise verstehen und hochschätzen. Sie werden hier mit Vergnügen und Muße Gemälde aus den Florentinischen und Venetianischen Schulen des 14. und 15. Jahrhunderts sehen können, auf die der Reisende in Italien wegen der Menge vorzüglicherer späterer Werke weniger aufmerksam wird, und die doch die späteren Sachen beinahe vernichten. Auch von den früheren Deutschen und Nieder-[169]ländern sammeln sich bei Solly köstliche Sachen, und wir bedauern den Verlust des Danziger Bildes nicht eben, wie bisher.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. [24. Oktober -] 1. November 1817. C. L. F. Schultz an Goethe. Z_1817-10-31_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-0E51-8