[1r]

Die unterzeichneten Gerichtsperso-
nen begaben sich heute nach der
Hausvogtey, um den L. v. Henning
zu vernehmen.

Aufgefordert, über alles das,
worüber er befragt und vernommen
werden würde, die Wahrheit zu
sagen, versprach er, dieser Auf-
forderung nachzukommen, und sagt:

Ich heiße Leopold Dorotheus
v. Henning
, bin 27 Jahr alt, luthe-
rischer Confession, aus Gotha ge-
bürtig. Mein verstorbener, im
Felde gebliebener Vater war
Oberst in Gothaischen Diensten;
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meine Mutter lebt noch. Ich habe
noch 6 jüngere Geschwister,
von denen keins in den (Preuß.)Preußischen
Staaten lebt. Im Jahre 1812
ging ich nach Heidelberg und
studirte die Rechte. Im Jahre
1813 setzte ich mein Studium in
Jena fort.
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Nachdem ich eine Reise nach
der Schweiz gemacht und in
Genf den Wiederausbruch des
Krieges mit Frankreich erfah-
ren hatte, ging ich zu Fuß nach
Leipzig Ende des Jahres 1813.
Ich trat zu dem 1ten Sächsischen
leichten (Inf. Reg.)Infanterie Regiment, welches zum
3ten deutschen Armee-Corps
gehörte, machte den Feldzug
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mit, avancirte zum Offizier,
[1v]machte aus der Kantonirung
von Namur eine Reise nach London
und kehrte im März 1814 nach dem
Regimente zurück. Ich bekam zuerst
auf mein Verlangen Urlaub und
hernach den Abschied - mich dünkt im
(Decbr.)December 1814.

Den Winter 1814/15 hielt ich mich
in Wien auf, und faßte hier den
Entschluß in Preußische Dienste
zu treten. Mit einem Schreiben
des Hrn. (St.)Staats Kanzlers und (dHrn)des Herrn
(G.St.R.)Geheimen Staats Raths v. Steegemann ging ich nach
Berlin, und wurde bei der Regie-
rung, damals zu Königsberg in
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der Neumark als Referendar
angestellt. Bei dem neuen Aus-
bruch des Krieges im Jahre 18135
ging ich mit Genehmigung des
(Reg. Präs.)Regierungs Präsdidenten nach Berlin und wurde
als Offizier angestellt bei dem
3ten (Landw. Reg.)Landwehr Regiment in Kölln. Mit
6
der Weisung, mich nach Paris
zu begeben, wurde ich zum 1ten
Westphälischen (Landw. Reg.)Landwehr Regiment versetzt,
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blieb aber bei dem General von
Steinmetz als Kommandirter und
reisete im November 1815 nach
Trier mit ihm, wo der General
die für ihn bestimmte neue Brigade
formirte.

[Im] Jahre 1816 wurde ich auf
mein Ansuchen des Militairdien-
stes entlassen, und bei der Regie-
rung zu Erfurth als Referen-
dar
angestellt.

[2r]

Mehr zu wissenschaftlichen Arbei-
ten geneigt, als zu denen, welche
mir bei der Regierung oblagen,
reisete ich im (Septbr.)September (pr.)praesentis [anni] nach Berlin
hörte und höre noch jetzt Collegia
um mich zum akademischen Lehrer
auszubilden. Ich wohne in der Breiten
Straß 29.
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Vorgestern 7/6 191früh um 4 Uhr wur-
den meine Papiere in Beschlag
genommen und gestern morgen
wurde ich selbst verhaftet - weßhalb?
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weiß ich eigentlich gar nicht.

Daß geheime Verbindungen und
Vereine in Deutschland existiren,
um die Staatsverfassung von
Deutschland sowohl überhaupt, als
der einzelnen Staaten zu veränd-
dern, oder über den Haufen zu
werfen, davon ist mir gar nichts
bekannt, bekannt ist mir, daß unter
den Studenten eine Verbindung unter
dem Nahmen Burschenschaft existirt,
die aber, was ich von ihnen darüber
gehört habe, gar keinen andern
Zweck hat, als den Spannungen un-
ter den Landsmannschaften, der Ent-
fernung von ihren Lehrern, dem
Zweikampf und überhaupt dem soge-
nannten alten Burschencomment
ein Ende zu machen. Ich kann ver-
sichern, bei den Studenten, die zu
dieser Verbindung gehören, und
deren Bekanntschaft ich durch das
Besuchen der Collegia gemacht habe,
einen höheren Grad von Sittlichkeit
und Moralität gefunden zu haben,
[2v]als bei andern. Eine Verbin-
dung bezeichnet mit dem Nahmen
engerer Verein oder schwarze
Brüder oder Unbedingte ist mir
unbekannt.

Zu den Personen, die ich schon
seit mehreren Jahren gekannt, oder
deren Bekanntschaft ich hier späterhin
gemacht habe, gehören der Dr. Förster,
der (Geh.Ob.R.R)Geheime OberRegierungeRath Schultze, der (Geh. Ob.)Geheime Ober
(R.R.)RegierungsRath Koreff, der Dr. Jahn, der
Herr (R.R.)RegierungsRath Kölln, der Hof (R.)Rath Müller
im statischen Bureau, der Major
v. Weiher, der (Geh. St.R.)Geheime StaatsRath v. Stegemann,
der Hauptmann v. Plehwe, der Buch-
händler Reimer, der Professor
Solger und de Wette, der Professor
Hegel, der Dr. Jung, der Dr. Rue-
diger
.

Den (Capt)Capitaine v. Plehwe habe ich etwa
4 oder 5 mal besucht. Auch weiß ich,
daß des Montags sich eine Gesellschaft
bei ihm versammelte von seinen
Bekannten, und Einmal habe ich selbst
daran Theil genommen. Man unter-
hielt sich, es wurde gesungen, nament-
lich mehrere Lieder aus der Kriegs-
zeit, ein mäßiges Abendessen gehalten,
und ein Glas Bier getrunken.

Bei meiner Anwesenheit in dieser
Gesellschaft, und das kann ich mit
Wahrheit versichern, ist gar nicht
einmal von den Verfassungen Deutsch-
lands, noch weniger von einer Um-
änderung derselben die Rede ge-
wesen. Ich kenne keine Vereine,
deren Zweck eine solche politische
[3r]Tendenz hätte, noch weniger gehö-
re ich selbst dazu.

Ich wiederhole noch einmal meine
Behauptung, daß ich nicht weiß, weß-
halb ich verhaftet bin und bitte

mich des Arrestes zu entlassen,
und nicht länger in dem Besuch der
philosophischen Vorlesungen unter-
brochen zu werden.

An dem Einen Tage, an welchem
ich in dem gesellschaftlichen Cirkel
des (Hauptm.)Hauptmann v. Plehwe war, befan-
den sich etwa 10-12 Personen, von
denen ich, soviel ich mich noch erinne-
re, kannte den Dr. Jung, den
(Lieut.)Lieutenant v. Weiher den Aelteren, den
(Lieut.)Lieutenant v. Griesheim, den Turnlehrer
Eiseler, den (cand: theol:)candidatus theologiae Gross, ich
glaube auch einen gewissen Beek
oder Beneke, nach dessen Namen
ich mich erkundigte, denn ich kann-
te ihn vorher nicht, den (Lieut:)Lieutenant von
Plehwe.

Ich bitte um die Erlaubniß, an
meine kränkliche Mutter, die sehr
darauf rechnet, alle 14 Tage wenig-
stens von mir einen Brief zu er-
halten, zu schreiben.

p. r. s. [?]
Leopold v. Henning
(a. u. s.)actum ut supra
Schmidt
Dambach
Notes
1
Am Rand mit Bleistift angestrichen.
2
Am Rand mit Bleistift angestrichen.
3
Am Rand mit Bleistift angestrichen.
4
Am Rand mit Bleistift angestrichen.
5
Am Rand mit Bleistift angestrichen.
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Am Rand mit Bleistift angestrichen.
7
Am Rand mit Bleistift angestrichen.
8
Am Rand mit Bleistift angestrichen.
9
Am Rand mit Bleistift angestrichen.
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TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 9. Juli 1819. von Henning, Vernehmungsprotokoll. Z_1819-07-09_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-0F9F-0