[120]
Liebster Freund!

Verzeih, dass ich Dir nicht eher geschrieben, und dass es jetzt nur eilig geschieht. Ich bin noch die ganze Woche nach Deiner Abreise in Prag geblieben. Wie ich hieher kam, war Prof. Wawruch in Baden und ist da noch; Jacquin sagte, als Pohl ihn fragte, dass das, was die Anatomie betreffe, nicht unmittelbar zu seiner Kenntniss gelange, das er aber glaube, der Prosector Meyer hier, dessen Vater Professor der Anatomie und dessen Bruder gleichfalls Prosector sei, habe - obwohl oder vielmehr weil er ein bloss mechanischer Kopf sei, die beste Chance zur Professur in Grätz.

Prof. Ilg von Prag, der diese Tage hier gewesen, sagte auch dem Pohl, dass Meyer ohne weiteres es werden würde, so rühmlich auch Dein Concurs gewesen, und schien zu wünschen, dass Du lieber eine Lesestelle in einem speculativen Fach erhalten möchtest. Montag {reithet} Dr. Pohl (der jetzt sehr occupiert ist und wenig Zeit hat) hinaus zum Staatsrat Stifft, der jetzt in Schönbrunn wohnt, und Dienstag werde ich Dir melden, was dieser von Deiner Affaire gesagt hat.

[121]

Ich fürchte, dieses wird Dich nicht mehr in Leipzig treffen, hoffe aber, dass Du Deine Adresse in Berlin da gelassen hast. Lebe wohl!

Dein N. A. Nilsen

In 8 Tagen reise ich über Prag weg wieder zurück nach Leipzig.
Herrn Dr. Med. J. E. Purkinje
Wohlgeboren aus Prag
Berlin.
CC-BY-NC-SA-4.0

Editionstext kann unter der Lizenz „Creative Commons Attribution Non Commercial Share Alike 4.0 International“ genutzt werden.


Holder of rights
Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 26. September 1822. Nilsen an Purkinje. Z_1822-09-26_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-18FF-9