Die Liebe

Am Altar der Dorfkirche knietest Du einst, Anna, und betetest um meine Liebe – – –!

Nun, da Gott Dich erhörte, betest und kniest Du nicht mehr!?!«

»Um was sollt' ich nun knieen und beten, Du Thörichter, Liebster?!?«

»Ich weiss es nicht, Anna. Heilige Zeiten waren es, da Du noch mit Gott eindringlich über mich sprachst – – –!«

–––––

»Was thätest Du, Marie, wenn ich Dich stehen liesse?!?«
»Ich?!? Ich würde weinen – – -–.«
»Weinen, Marie?!? Ich dachte, Du würdest sterben!?!«
»Weinen ist mehr als Sterben – – –.«

–––––

Der Lebens-Mensch:
»Was Dein Antlitz mir schenkt, raubt Deine Seele mir wieder!«
Der Künstler-Mensch:
»Was Deine Seele mir raubt, schenkt mir Dein Antlitz!«

–––––

[68] »Oh, mein Freund, wann wirst Du endlich an meine Liebe glauben?!?«

»Bis ich so schön wie Apollo, so gütig wie Jesus Christus, so weise wie Bismarck und so reich wie Vanderbildt sein werde!«

–––––

»Die Rücken-Linie ist Alles,« sagte er und blickte liebevoll auf seine politirten Holzkeulen, während sie traurig das Antlitz zu Boden senkte – – –.

Plötzlich sagte sie: »Es ist eine Unverschämtheit!«
»Ja,« sagte er, »vorstehende Schulterblätter zu haben!«

–––––

Briefleserin

In Deinen zärtlichen Händen hältst Du sein Herz, seinen Geist, liebliche Leserin – – –
und das geschriebene Wort wird Dir zu Nahrung und Trank!
»Schreibe, dass Du mich liebst, Geliebtester, schreib' es, wenn es auch Lüge – – –!«
Von dem Worte allein lebt ein liebendes Herz!

De libertate

Nicht um die Geliebte weine, die Du verloren – um Die weine, die Dir geblieben sind!

Durst

Dürstender, wie thöricht bist Du, der Du mit dem [69] unheiligen Trunke Dir Deines Dürstens heiliges Feuer selber verlöschest!?!

Wahrheit

Grospapa und Enkelin – – – einzig unverlogene wahrhaftige Beziehung zwischen zwei Menschenseelen!

Was könnte ein Grospapa von seiner Enkelin gebrauchen?!?

Nichts.

Nun also!

Wie der Tiroler seine Berge liebte! Wegen nichts! Menschen-Heimweh, das wäre es! Heimweh nach Menschen!

Aber diese »versteckten Geschäfte« der Anderen!?

Selbst Elternliebe lauert auf Revanche.

Liebe? Ha ha ha ha – – – Chinin für Rückenmark-Fieber, Morphium für Seelen-Leere-Leiden, Pölzungen für schwankendes Selbstbewusstsein, geschickte Bilanz-Fälschungen von Seelen-Bankrottirern, fixe Idee der Seele und Irrsinn des Rückenmarkes!

Aber Liebe? Liebe?

Ein Grospapa liebt seine Enkelin!

Ein Bildnis

Roma.
Basilica Vaticana.
[70] Melozzo da Forli:
Un Angelo che suona il Violino.
Ein Engel mit seiner Violine – – ein wirkliches Liebespaar!
Was der Eine fühlt, tönt der Andere!

Lebens-Führung

Die werthvollsten Frauenseelen erschimmern nicht inAlltag-Reinheit, sondern wechselnd und flimmernd wie die Licht-Mysterien im Opale!

Mögen wir ernst und würdevoll der Schönheit dieses bewegten Spieles die Ruhe unserer Seele zum Opfer bringen!

Ritterlichkeit

Bauernbursche, ein entzückendes Mäderl vom Tanze zu ihrem Platze geleitend:
»Sie, Fräulein, Ihnen thät' i's
[71]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Altenberg, Peter. Prosa. Was der Tag mir zuträgt. Die Liebe. Die Liebe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-D84C-4