In einem Wiener »Puff«

»Du«, sagte die süße Anschmiegsame zu mir, »du, der da drüben ist nicht normal; er lebt auf einer Sandinsel in der Donau, läuft halbnackt herum, du siehst, er ist ganz braun von der Sonne. Der kommt nur her, um uns zu verachten! Dich auch, Peter, dich auch. Was nützt dir da dein ganzes schönes Dichten?!?«

Der Herr drüben sah wirklich aus wie das Leben selbst. Oder wie ein Afrikareisender. Gegerbt von Licht und Luft, gegerbt!

Seine Freunde an seinem Tische hatten sich alle bereits »verliebt«, wie der technische Ausdruck lautet.

Nun forderten sie ihn auf, sich ebenfalls doch endlich zu »verlieben«.

»Soll ich mich schwächen?!?« erwiderte der Braune den Bleichen. Und alle lachten.

»Is dös deine Kraft, wenn du nix zum Ausgeben hast?!?« sagte die süße Anna.

»Lass' ihn – – –«, sagte Hansi, »ein jeder weiß, was er zu tun hat. Wahrscheinlich nutzt ihm die Sonne auch nichts mehr – – –«.

»Verachten Sie mich auch?!?« sagte der Braungebratene, und wandte sich an eine, die einen Fünfkreuzerroman las und ganz darin vertieft war.

»Weshalb sollte ich Sie verachten?!? Ich kenne Sie gar nicht.«

»Wie sind Sie überhaupt zu diesem Leben gekommen?!?« sagte der Naturgemäße sanft. Das ist die öde Frage aller Dilettanten des Lebens.

[164] »Das wird den Herrn wohl wenig interessieren können –.«

»Doch. Sie scheinen mir zu etwas Besserem geboren!«

Zweite Phrase des Dilettanten!

»Ich wurde verführt – – –.«

»Aha, die Liebe

»Nein, nicht die Liebe!«

»Also die Sinnenlust

»Nein, man gab mir zu trinken, auf einer Landpartie – – –.«

»Also der Alkohol! Eines der drei Gifte mußte es ja sein – – –.«

Er registrierte das Ganze unter die Rubrik »Alkohol«.

Anna ging vorbei und sagte: »Sie, Herr Robinson Crusoe, verführen Sie mir diese Unschuld nicht –«.

Der Donauinselsandsonnenmensch ging an das geöffnete Fenster, blickte in das Dunkel des Gäßchens, das nur durch die Lampe eines Pissoirs einen grellen Fleck erhielt, roch mit Widerwillen die schlechte Luft.

Dann sagte er: »Zu wenig Respekt habt ihr vor Sonne und Luft, das ist es!«

Die Mädchen wurden momentan ganz verlegen bei dem Gedanken, daß sie wirklich vielleicht zu wenig Respekt hätten vor Sonne und Luft. Denn bisher hatten sie wirklich gar keinen Respekt gehabt davor.

Nur Friederike, die ihren Namen nie in »Fritzerl« abgekürzt hören wollte, weil sie derjenige welcher immer so genannt hatte, sagte: »Und doch haben wir einen besseren Humor als Sie – – –«.

[165] »Bst«, sagten die anderen Mädchen, »tu' ihn net beleidigen, dös g'hört sich net – – –«.

»Adieu, Verlorene«, sagte der Herr und ging.

»Wir empfehlen uns, Herr Robinson Crusoe –«, rief ihm Anna nach.

»Was habt's alle ›bst‹ gerufen, wie i den faden Bimpf abg'stellt hab'?!?« sagte Friederike.

»Man darf niemandem so die Wahrheit sagen; vielleicht wär' er doch noch mit einer aufs Zimmer gegangen – – –.«

»Ah, der nöt, der Sonnenpritschler; dö san alle zu schwach vor lauter Kraft – – –.«

[166]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Altenberg, Peter. Prosa. Märchen des Lebens. In einem Wiener »Puff«. In einem Wiener »Puff«. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-D88A-7