Putain

Das kleine Zimmer duftet wie Berg-Wiese. Im hellbraunen Lavoir liegen dicke Büschel von Daphne Cneorum, rosige Sternblüthen.

»Daphne Cneorum – – –« sagt er beim Eintreten, spürt alle Seidelbast-Arten mit ihren feinen Düften und Farben, denkt an die Berglehnen im Sonnenscheine.

»Lass' meine Blumen – – –« sagte sie, »was hast Du davon, wie sie heissen – – –?!«

Sie entkleidet sich, kriecht in's Bett.

»Du, was hat der Max gemeint?! Kommt Ihr wirklich nicht mehr zu mir?!«

»Nein – – –« sagt Er, »es kostet Geld und man spricht darüber. Sind wir Hurenkerls?! Nun also!«

Stille.

»Da kann man Nichts machen – – –« sagt sie sanft.

Er spürt den Duft von reinem Frauen-Athem und von Berg-Alm.

Sie liegt unbeweglich.

Dann sagt sie: »Es thut mir sehr leid – – –. Ich war stolz auf Euch, stolz – – –. Ich habe immer gesagt: »meine Freunde – –!« Vielleicht habe ich mich ungeschickt benommen. Ich hätte schwindeln sollen, Theater machen, eine Comödie –.«

[188]

»Pupperl, Kindskopf – – –« sagt er, küsst ihre Hand.

»Ihr seid feine Menschen – – –« sagt sie, »wie Seide! Warum seid Ihr gekommen?! Wozu?! Man kann Nichts machen – – –. Alles ist das: »man kann Nichts machen«. Ich kann es nicht so ausdrücken, aber es ist Alles – – –. Siehst Du, ich kann auch denken – – – – –. Du, der Robert ist so sanft. Ich muss Dir eine Geschichte erzählen. Aber Du darfst es nicht vertratschen. Er sagte einmal zu mir: »Du bist müd, Anna, schlafe –.« »Sind wir dazu heraufgekommen – – –?!« sage ich. »Ich achte die Müdigkeit – –« sagt er, »es ist wie nach einer Bergparthie –.« Ist das nicht sanft, Du – – – –?! Ich bin wirklich eingeschlafen. Wieso habe ich mich getraut?! Er gefällt mir nicht besonders. Aber er hat gesagt: »Anna, schlafe!««

Stille. Sie seufzt auf. Stille – – –.

»Ihr seid feine Menschen. Wie Seide. Es thut mir sehr leid – – – – –.«

Stille.

»Man kann Nichts machen – – –. Sage dem Max – – –.«

»Was denn?!«

»Nichts – – – – –.«

Stille.

»Warum seid Ihr gekommen?! Wieso?! Ich verstehe das nicht. Ihr seid wie Seide. Ich glaube, ich werde eintrocknen – – –.«

[189] Das kleine Zimmer duftet von Daphne Cneorum –.

Sie steigt aus dem Bett, setzt sich in einen Fauteuil.

Dann öffnet sie die Jalousieen und der Morgen fliesst herein wie ein Bergstrom.

»Mach' finster – – –« sagt er.

Sie lässt die Jalousieen herab, kriecht in's Bett zurück.

»Ich habe Freunde gehabt, drei Freunde – –!! So etwas versteht die schwarze Bertha gar nicht. Dieses Mensch! Du – – – mein Herz thut mir weh.«

Er sagt: »Nun gut, wir werden wiederkommen. Aber was hast Du davon?! Wir stören Dich. Im Juni reisen wir weg, so wie so. Der Max geht an das Meer, der Robert in's Gebirge – – – – –.«

Sie: »Halte ich Euch – – –?!«

Sie schläft ein.

Er fühlt: »Schlaf! Auslöscher, Wellenbrecher –!«

Er denkt: »Wie das dumme Schicksal sind wir, öffnen ein Herz, reissen die weissen Thore der Freundschaft auf, das Licht strömt ein wie ein Bergstrom –! Dann sagen wir: »Sind wir Hurenkerls?! Nun also! Bitte, Fräulein – –!« »Adieu« sagt sie sanft, »Halte ich Euch – –?!« So ist das Leben, denken wir. Eine wundervolle Ausrede!«

Das kleine Zimmer duftet von Daphne Cneorum. Wie Wiesen-Weihrauch ist es – – –.

Die arme Seele schläft.

Schlaf – – Auslöscher! Wellenbrecher – – –!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Altenberg, Peter. Prosa. Wie ich es sehe. Putain. Putain. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-D9BD-B