Sie verlangt ihn bei Aufgang der Sonnen

1
Die Sonne kommt heran
In unsern Himmelsplan!
Ich seh schon ihre Strahlen
Auf allen Höhen prahlen.
Wo bleibt denn meine Sonne,
Mein allerliebstes Licht?
Mein Jesus, meine Wonne,
Daß ich ihn sehe nicht.
2
Was hilft mich Sonn und Tag,
Wenn ich nicht sehen mag
In meines Leibes Höhle
Die Sonne meiner Seele?
Mein Himmel bleibt doch trübe,
Wenn das wahrhafte Licht
Der Sonnen, die ich liebe,
In ihm nicht auch anbricht.
3
Wie fröhlich würd ich sein,
Wenn der geliebte Schein
Nach so viel dunkler Nächte
Mir meinen Tag herbrächte!
Nun aber muß ich leben
Wie einer, dem sein Licht,
Das ihm soll Freude geben,
Noch fehlet und gebricht.
[48] 4
Ei, brich doch auch herein,
Mein liebster Sonnenschein!
Vertreibe meinem Herzen
Die Finsternis und Schmerzen.
Laß deine güldnen Strahlen
Mich deine ganze Welt
Erfreun und schöne malen:
Komm, komm, du Himmelsheld.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Angelus Silesius. Gedichte. Heilige Seelenlust oder geistliche Hirtenlieder. Erstes Buch. 11. Sie verlangt ihn bei Aufgang der Sonnen. 11. Sie verlangt ihn bei Aufgang der Sonnen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-FA05-3