91.
Der Liebes-Trieb.
Ach ziehe mich/ ach ziehe mich hinein/
O Abgrund sonder Maß/ o Brunnquell aller Huld!
Geliebter Schmertz/ versüßte Pein!
Du Zucker-Guß/ du Necktar-Fluß!
Womit hab ich den Himmels-Kuß
Und tiefsten Eindruck deiner Lieb verschuld?
Ich weiß nicht wer ich bin.
[269]Ich bin in meinem Sinn
Ein faules Aas/ ein todter Hund/
Den Sünden-Fäulniß machet wund/
Und dennoch liebt dein Liebes-Bund
Mit Hertz und Mund den todten Hund!
Du soltest nicht einmahl berühren mich/ ja ewiglich/
Sollt mich dein Fuß von dir weg stossen.
Und siehe du kanst liebekosen
Mich armen Wurm so süßiglich!
Wolan so fahre fort/ erfüll dein treues Wort.
Der Abgrund der Barmhertzigkeit
Hegt manches Hertz/ das du erfreut.
Darein will ich versuncken seyn/
Ach! ziehe! ziehe! mich hinein!