Der König aus Mayland

Mitgetheilt von H.v. Wessenberg in Constanz.


Weiß mir e Herr, hätt siebe Süh
Und nune einzig Töchterli.
Der Herre stellt e Gastmal a,
Er ladt viel fremdi Herre dra.
Er ladt viel fremdi Herre ni,
De König us Mailand au darbi.
Di Tochter hät e Haar, ist gelber weder Gold,
Darum wird ihre der König us Mailand hold,
Das Mägdli wölt ge schlafe go,
Tritt ihr der König us Mailand no,
Und doner hot sie Wille getho,
Sizt er ufs Ross, und ritt darvo.
In vierzig Woche will er wider ko.
Die vierzig Woche sind umme,
Der König ist nie kumme.
Dem Mägdli wurds im Siteli weh
Zu einem kleine Kindele.
»Ach! Bruder! liebe Bruder mi!
Erlaub du mir di Kämmerli!
Erlaub mir di Schlofgade,
Klei Kindli mueni habe!« –
»Ach Schwester, liebi Schwester mi!
Schlafkämmerli soll di eige sy;
Ih will dir ge' viel Gut und Geld
Bring du di Kindli recht uf d' Welt.«
»Ach Bruder liebe Bruder mi!
Und hätti numme ne Wiber dry!« –
»Ach Schwester liebi Schwester mi,
[284]
D' Wiber müend gli vorhande sy.« –
Und do das Kind gebohre war,
Die eine zu der andere sprach:
»Das Kind ist hübsch und minniglich
Es sieht dem König us Mailand glich.«
Die Mutter an de Wände
Erloset de Reden en Ende.
Sprung dür die Stege uf und ab,
Bis daß sie zus Mägdlis Vater kam.
»Hänt aister gesproche eui Tochter sey fromm,
Izt hätt sie gebohre en junge Sohn.
Und wär' die Tochter eu wie mi,
Die Red' muß uns verschwiege sy;
Das Kind ist wüest und grüsiglich
Es sieht em leidige Teufel glich.« –
Der Vater fiel in e grosse Zorn,
Er sprung wohl uf die Mure
Ruft alle sine Nachbure:
»Nachbure, liebi Nachbure mi,
Müend mir e Galge mure;
Dra mue mi Tochter verfuhle.
Ih will sie lasse hänke,
Ihr' junge Soh vertränke.« –
Der Bruder an de Wände
Erloset de Reden en Ende.
Erloset von Anfang bis zum End
Bis ihm sini Aeugli Wasser gend.
»Ach! Schwester! Liebi Schwester mi,
Mir händ e zornigs Väterli;
Er will di lasse hänke,
Din junge Soh vertränke.« –
Es Mägdli sezt sie uf im Bett
Es heischt Dinte und Federe her,
[285]
Es thut e Briefli schreibe
Sim Herre in Mailand ine.
»Ach! Bruder, liebe Bruder mi
Hätt ih e kleines Böthemli,
Müeßt mir es Briefli trage
Mim Herre in Mailand sage.« –
»Lieb Schwester, liebi Schwester mi,
Das Böthemli will ih selber sy,
Will dir das Briefli trage,
Dim Herre in Mailand sage.« –
Doner is Mailand ine kam
Er so zu selbigem Diener sprach:
»Ach Diener, liebe Diener mi
Möcht euer Herr dahaime sy?« –
»O nei! min Herr ist nit dahai,
Min Herr der ist geritten us
Umme zarts Jungfräuli us.« –
Der Both der kehrt sie nit dara,
Bis er zum Herr in d' Stube tratt, –
Was zog er us sim Buse? –
»Sieh hi! sieh hi! min Herre mi,
Darinn kannst sehe, wer ih bi.« –
Ehb er das Briefli ganz lese kann
Die Thräner ihm in d' Schoos aberann.
»Stehnt uf! stehnt uf ihr Ritter uf
Wir müend an Rhinstrom ritten us;
Umme zartes Jungfräuli us,
Und du min liebe Diener mi
Gang sattle mir mi Pferdeli,
Und sattle mir das beste Pferd,
Das unter vierthalb hundert wär.« –
Und dones war am Frytig früh
Sie führet das Mägdli us so früh.
[286]
Frumm Mägdli wend sie hänke,
Sin junge Soh vertränke. –
Und dones uf die Laiter kam
Und es de Nachrichter treuli bath:
»Nachrichter, liebe Nachrichter mi –
O wart du nune kleine Wil,
Ih ghör e scharfe Reitery,
Ih hoffs es möcht ein drunter sy,
Möcht meines Kindlis Vater sy.« –
Der Nachrichter ist en barmherzige Ma,
Er warte vierthalb Stunden ab,
Er wartet vierthalb Stund
Bis daß die Schaar vo Ritter kumt.
Er wünschet allen e gute Tag,
Dazu nen gute Morge.
»Wen wender so früh versorge? –
In unserm Land ists nit der Bruch
Daß mas Wibervolk thut henken uf.«
Was zog er us sim Buse? –
Voll Wunder! – Ein schönes Thücheli.
»Sieh hi! sieh hie! Brun Maidli mi!
Wickle du di kleis Kindli dri!« –
Was zieht er us si'r Scheide? –
Voll Wunder! – Ein scbönglänziges Schwerdt,
Er stach sin Schwägerin uf die Erd.
»Wenn ih den Adel nit niesse möcht,
So stäch ih min Schwäher wohl uf die Erd.
Ach! Anni – magsts ritten erlide? –
Magst zu mir uf mi Pferd stige? –
Du mußt nu ritte ne halbi Stund
Bis daß die Gutsche gegen us kunt!«
»Worum wött is Ritte nit besser erlide,
Als uf de hohe Galgen uf stige!« – –
[287]
Es stoht nit me als e halb Johr a,
Der König stellt e Gastmahl a. –
»Ach: Anneli, liebs Anneli mi
Wönmer lode die Väterli au dri?« –
»O Nei! O Nei! Min Herr o nei!
Wönd lade mi Väterli nit drei!« –
»Es fliegt e Vögeli nit so hoch
Es lot sie wieder nieder.
Wenn scho die Väterli zornig ist,
Der Zorn, der let sie wieder.«

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TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Des Knaben Wunderhorn. Band 2. Der König aus Mayland. Der König aus Mayland. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0D29-0