Lindenschmidt

Aus Meißners Apollo. Juny 1794. S. 173.


Es ist nicht lange daß es geschah,
Daß man den Lindenschmidt reiten sah,
Auf einem hohen Rosse.
Er reitet den Rheinstrom auf und ab;
Er hat ihn gar wohl genossen.
»Frisch her ihr lieben Gesellen mein!
Es muß jezt nur gewaget seyn,
Wagen das thut gewinnen,
Wir wollen reiten Tag und Nacht,
Bis wir die Beute gewinnen!«
Dem Marggrafen von Baden kam neue Mähr,
Wie man ihm ins Geleit gefallen wär,
Das thät ihm sehr verdrießen.
Wie bald er Junkern Kasparn schrieb:
Er sollt ihm ein Reißlein dienen.
Junker Kaspar zog'n Bäuerlein eine Kappe an;
Er schickt ihn allezeit vorn dran,
Wohl auf die freie Straßen,
Ob er den edlen Lindenschmidt findt,
Denselben sollt er verrathen.
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Das Bäuerlein schiffet über den Rhein,
Er kehret zu Frankenthal ins Wirthshaus ein:
»Wirth, haben wir nichts zu essen?
Es kommen drey Wagen, sind wohl beladen,
Von Frankfurt aus der Messen.«
Der Wirth der sprach dem Bäuerlein zu:
»Ja, Wein und Brod hab ich genug!
Im Stalle da stehen drey Rosse,
Die sind des edlen Lindenschmidts,
Er nährt sich auf freyer Straßen.«
Das Bäuerlein gedacht in seinem Muth,
Die Sache wird noch werden gut,
Den Feind hab ich vernommen.
Alsbald er Junkern Kaspar schrieb,
Daß er sollt eilends kommen.
Der Lindenschmidt hätt einen Sohn,
Der sollt den Rossen das Futter thun,
Den Haber thät er schwingen:
»Steht auf, herzlieber Vater mein!
Ich hör die Harnische klingen.«
Der Lindenschmidt lag hinterm Tisch und schlief,
Sein Sohn der thät so manchen Rief,
Der Schlaf hat ihn bezwungen:
»Steht auf, herzliebster Vater mein!
Der Verräther ist schon gekommen.«
Junker Kaspar zu der Stuben eintrat,
Der Lindenschmidt von Herzen sehr erschrack:
»Lindenschmidt gieb dich gefangen!
[119]
Zu Baden, an den Galgen hoch,
Daran sollst du bald hangen.«
Der Lindenschmidt war ein freier Reitersmann,
Wie bald er zu der Klingen sprang:
»Wir wollen erst ritterlich fechten!«
Es waren der Bluthund allzuviel,
Sie schlugen ihn zu der Erden.
»Kann und mag es dann nicht anders seyn,
So bitt' ich um den liebsten Sohn mein,
Auch um meinen Reutersjungen,
Haben sie jemanden Leid's gethan,
Dazu hab ich sie gezwungen.«
Junker Kaspar, der sprach nein dazu:
»Das Kalb muß entgelten der Kuh,
Es soll dir nicht gelingen!
Zu Baden, in der werthen Stadt,
Muß ihm sein Haupt abspringen!«
Sie wurden alle drey nach Baden gebracht,
Sie saßen nicht länger als eine Nacht;
Wohl zu derselben Stunde,
Da ward der Lindenschmidt gericht,
Sein Sohn und Reutersjunge.
[120]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Des Knaben Wunderhorn. Band 1. Lindenschmidt. Lindenschmidt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0E78-7