[3] Band 1

Sr. Excellenz des Herrn

Geheimerath von Göthe


»Auf dem Reichstage zu Augsburg geschah ein guter Schwank von Grünenwald, Singer an des Herzogs Wilhelmen von München Hof. Er war ein guter Musikus und Zechbruder, nahm nicht für gut was ihm an seines gnädigen Fürsten und Herren Tisch aufgetragen ward, sunder sucht sich anderswo gute Gesellschaft, so seines Gefallens und Kopfs wäre, mit ihm tapfer dämpften und zechten, kam so weit hinein, daß alle Geschenke in der Schenken für nasse Waar und gute Bislein dahin gingen; nach mußt die Maus bas getauft werden, er macht dem Wirth bey acht Gulden an die Wand. Als der Wirth erfuhr, daß der Herzog von München sammt andern Fürsten und Herren aufbrechen wollte, so kam er zu dem guten Grünenwald, fodret seine angeschriebene Schuld. Lieber Wirth, sagt Grünenwald, ich bitt euch von wegen guter und freundlicher Gesellschaft, so wir nun lang zusammen gehabt, lassend die Sach also auf diesmal beruhen, bis ich gen München komm, denn ich bin jetzt zumal nicht verfaßt, wir haben doch nicht so gar weit zusammen, ich kanns euch alle Tag schicken, denn ich hab noch Kleinod und Geld zu München, das mir die Schuld für bezahlen möcht. Das gunn dir Gott, sagt der Wirth, mir ist aber damit nicht geholfen, so wölln sich meine Gläubiger nicht bezahlen lassen mit Worten, nemlich die, von denen ich Brod, Wein, Fleisch, Salz, Schmalz, und andere Speisen kaufe; komm ich auf den Fischmarkt, sehen die Fischer bald, ob ich um baar Geld oder auf Borg kaufen wöll; nimm ichs auf Borg, muß ichs doppelt bezahlen. Ihr Gesellen aber setzt euch zum Tisch, der Wirth kann euch nicht genug auftragen, wenn ihr [3] gleichwohl nicht ein Pfenning in der Taschen habt. Drum merk mich eben, was ich auf diesmal gesinnet bin. Willt du mich zahlen, mit Heil, wo nicht, will ich mich dem nächsten zu meins gnädigen Fürsten und Herrn von München Secretarien verfügen, derselbig wird mir wohl Weg und Steg anzeigen, damit ich zahlt werd.

Dem guten Grünenwald war der Spieß an Bauch gesetzt, wußt nicht wo aus oder wo an, dann der Wirth so auch mit dem Teufel zur Schulen gangen, war ihm zu scharf. Er fing an die allersüßesten und glattesten Wort zu geben, so er sein Tag je studieren und erdenken mocht, aber alles umsonst war. Der Wirth wollt aber keineswegs schweigen, und sagt: ich mach nicht viel Umständ, glattgeschliffen ist bald gewetzt, du hast Tag und Nacht wollen voll sein, den besten Wein, so ich in meinem Keller gehabt, hab ich dir müssen auftragen, drum such nur nicht viel Mäus, hast du nicht Geld, so gib mir deinen Mantel, dann so will ich dir wohl eine Zeitlang borgen. Wo du aber in bestimmter Zeit nicht kommst, werd ich deinen Mantel auf der Gant verkaufen lassen, dieß ist der Bescheid mit einander. Wohlan sagte Grünenwald, ich will der Sache bald Rath finden. Er saß nieder, nahm sein Schreibzeug, Papier, Feder und Dinten, und dichtet nachfolgends Liedlein:


»Ich stund auf an eim Morgen,
Und wollt gen München gehn,
Und war in großen Sorgen,
Ach Gott wär ich davon,
Meim Wirth, dem war ich schuldig viel,
Ich wollt ihn gern bezahlen,
Doch auf ein ander Ziel.
Herr Gast ich hab vernommen,
Du wöllest von hinnen schier,
Ich laß dich nicht weg kommen,
Die Zehrung zahl vor mir,
[4]
Oder setz mir den Mantel ein,
Demnach will ich gern warten,
Auf die Bezahlung dein.
Die Red ging mir zu Herzen,
Betrübt ward mir mein Muth,
Ich dacht, da hilft kein Scherzen,
Sollt ich mein Mantel gut
Zu Augsburg lassen auf der Gant
Und blos von hinnen ziehen,
Ist allen Singern ein Schand.
Ach Wirth nun hab Gedulte
Mit mir ein kleine Zeit,
Es ist nicht gros die Schulde,
Vielleicht sich bald begeit,
Daß ich dich zahl mit baarem Geld,
Drum lasse mich von hinnen,
Ich zieh nicht aus der Welt.
O Gast! das geschieht mit nichten,
Daß ich dir borg dießmal,
Dich hilft kein Ausred-Dichten,
Tag Nacht wollst du seyn voll,
Ich trug dir auf den besten Wein,
Drum mach dich nur nicht müßig,
Ich will bezahlet seyn.
Der Wirth, der sah ganz krumme,
Was ich sang oder sagt,
So gab er nichts darumme,
Erst macht er mich verzagt,
Kein Geld wußt ich in solcher Noth,
[5]
Wo nicht der fromm Herr Fuker
Mir hilft mit seinem Rath.
Herr Fuker laßt Euch erbarmen
Mein Klag und große Pein
Und kommt zu Hülf mir Armen,
Es will bezahlet seyn
Mein Wirth von mir auf diesen Tag,
Mein Mantel thut ihm gefallen,
Mich hilft kein Bitt noch Klag.
Den Wirth thät bald bezahlen
Der edel Fuker gut,
Mein Schuld ganz über alle,
Das macht mir leichten Muth,
Ich schwang mich zu dem Thor hinaus,
Adie du kreidiger Wirthe,
Ich komm dir nimmer ins Haus.«

Dies Liedlein faßt Grünenwald bald in seinen Kopf, ging an des Fukers Hof, ließ sich dem Herrn ansagen; als er nun für ihn kam, thät er seine gebührliche Reverenz, demnach sagt er: Gnädiger Herr, ich hab vernommen, daß mein gnädiger Fürst und Herr allhie aufbrechen und auf München zu ziehen will. Nun hab ich je nicht von hinnen können scheiden, ich hab mich dann mit Euer Gnaden abgeletzet. Habe Deren zu lieb ein neues Liedlein gedicht, so Euer Gnad das begehrt zu hören, wollt ichs Deren zu letze singen. Der gute Herr, so dann von Art ein demüthiger Herr war, sagt: Mein Grünenwald ich wills gern hören, wo sind deine Mitsinger, so dir behülflich seyn werden, laß sie kommen. Mein Gnädiger Herr, sagt er, ich muß allein singen, dann mir kann hierin weder Baß noch Diskant helfen. So sing her, sagt der Fuker. Der gute Grünenwald hub an und sang sein Lied mit ganz fröhlicher[6] Stimm heraus. Der gut Herr verstund sein Krankheit bald, meinet aber nit, daß der Sach so gar wär, wie er in seinem Singen zu verstehn geben hat, darum schickt er eilend nach dem Wirth; als er nun die Wahrheit erfuhr, bezahlt er dem Wirth die Schuld, errettet dem Grünenwald seinen Mantel, und schenkt ihm eine gute Zehrung dazu. Die nahm er mit Dank an, zoge demnach seine Straße, da erhob sich ein Wind, der selbigen Mantel recht lustig vor dem Hause des armseligen Wirthes aufblies, war aber dem Wirthe entgegen, warf ihm auch die Fenster zusammen: darum Kunst nimmer zu verachten ist.«


»(Aus dem Rollwagenbüchlein.)«


Wir sprechen aus der Seele des armen Grünenwald, das öffentliche Urtheil ist wohl ein kümmerlicher Wirth, dem unsre Namen als Mantel dieser übelangeschriebenen Lieder die Schuld nicht decken möchten. Das Glück des armen Singers, der Wille des reichen Fuker geben uns Hoffnung, in Eurer Exzellenz Beifall ausgelöst zu werden.

L.A. von Arnim. C. Brentano.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Des Knaben Wunderhorn. Band 1. Widmung. Widmung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0ED4-6