Wilhelm Tell

Fliegendes Blat.


Wilhelm bin ich der Telle,
Von Heldenmuth und Blut,
Mit meinem G'schoß und Pfeile
Hab ich die Freiheit gut
Dem Vaterland erworben,
Vertrieben Tyranney,
Einen festen Bund geschworen
Haben unsre Gesellen drey.
Uri, Schweiz und Unterwald,
Befreiet von dem Reich,
Litten großen Zwang und Gewalt
Von Vögten unbillig.
Kein Landmann durft nicht sprechen,
Dies ist mein eigen Gut,
Man nahm ihm also freche
Die Ochsen von dem Pflug.
Dem der sich wollte rächen,
Und stellen in die Wehr,
Thät man die Augen ausstechen,
Und hörte Bosheit mehr.
Zu Altdorf bei der Linden
Der Vogt steckt auf sein Hut,
Er sprach, den will ich finden,
Der ihm kein Ehr' anthut.
Das hat mich verursachet,
Daß ich mein Leben g'wagt,
[126]
Den Jammer ich betrachtet,
Des Landmanns schwere Klag:
Viel lieber wollt ich sterben,
Dann leben in solcher Schand,
Dem Vaterland erwerben
Wollt ich den freien Stand.
Den Filz wollt ich nicht ehren,
Den aufgesteckten Hut;
Das schmerzte den Zwingherren
In seinem Uebermuth;
Er faßt ein Anschlag eitel,
Daß ich müst schiessen geschwind,
Ein Apfel von dem Scheitel
Meinem herzliebsten Kind.
Ich bat Gott um sein Güte,
Und spannte auf mit Schmerz,
Vor Angst und Zwang mir blut'te
Mein väterliches Herz:
Den Pfeil konnt ich wohl setzen,
Bewahret war der Knab,
Ich schoß ihm unverletzet
Vom Haupt den Apfel ab.
Auf Gott stund all mein Hoffen,
Der leitet meinen Pfeil,
Doch hätt' mein Kind getroffen,
Hätt' ich fürwahr in Eil
Den Bogen wieder gespannt,
Und geschossen an den Ort
Den gottlosen Tyrannen,
Zu rächen seinen Mord.
[127]
Das hat der Bluthund geschwinde,
Gar wohl an mir gemerkt,
Das ich ein Pfeil dahinten
In meinem Göller gesteckt,
Was ich damit thät meinen,
Wollt er ein Wissen han,
Ich konnts ihm nicht verneinen,
Zeigt ihm mein Meinung an.
Er hat mir zwar versprochen,
Er wollt mir thun kein Leid,
Jedoch er hat gebrochen
Sein Wort und auch sein Eid;
Ja zu derselben Stunden
Mit Zorn er mich angriff,
Er ließ mich hart gebunden,
Hinführen in ein Schiff.
Ich klagte meinem Gesinde,
Das ich sie muß verlahn,
Mich jammert Weib und Kinde
Mit manchem Bidermann;
Ich meint sie nicht mehr zu finden,
Vergoß so manche Thrän,
Vor Herzleid mocht verschwinden;
Des lachet der Tyrann.
Er wollt mich han zur Busse
Beraubt des Sonnenscheins,
Zu Küßnacht auf dem Schlosse
Mich ewig sperren ein,
Mit Trotzen und mit Pochen
Führten sie mich dahin;
[128]
Das ließ Gott nicht ungerochen,
Und half dem Diener sein.
Dem Wind thät er gebieten,
Der kam im Sturm daher;
Der See fing an zu wüten,
Das Schiff stund in Gefahr;
Der Vogt hieß mich losbinden,
Und an das Ruder stehn,
Er sprach hilf uns geschwinde,
Mir und dir selbst davon.
Das thäte ich erstatten,
Und säumte gar nicht lang,
Als ich kam zu den Platten,
Zum Schiff hinaus ich sprang;
Ich eilte wunderschnelle
Durch hohe Berg hinan,
Den Winden und den Wellen
Befahl ich den Tyrann.
Er brüllte wie ein Löwe,
Und schrie mir zornig nach,
Ich achtete nicht sein Drohen,
Zu fliehen war meine Sach;
Ja in der hohlen Gassen
Wollt rächen ich den Trutz,
Mein Armbrust thät ich fassen
Und rüstet mich zum Schuß.
Der Vogt kam jetzt geritten
Hin auf die Gasse hohl,
Ich schoß ihn durch die Mitten,
[129]
Der Schuß war gerathen wohl;
Zu todt hab ihn geschossen
Mit meinem Pfeile gut,
Er fiel bald ab dem Roße,
Des war ich wohl zu Muth.
Als David aus der Schlinge
Den großen Goliath,
Mit einem Stein geringe,
Zu Boden geworfen hat,
Als gab mir Gott der Herr
Sein Gnad und auch sein Macht,
Daß mich mit Gewalt erwehre,
Den Wütrich hab umbracht.
Mein Gesell hats auch gewaget,
Bewiesen seine That,
Den Landberger gezwaget
Mit einer Axt im Bad;
Der sein Eheweib mit Zwange
Wollt haben zum Muthwill,
Des schont er ihn nicht lange,
Schlug ihn zu tod in Eil.
Kein ander Gut noch Beute
Begehrten wir ins gemein,
Denn die Gewalt auszureuten,
Das Land zu machen rein;
Wir fanden ja kein Rechte,
Kein Schirm, kein Obrigkeit,
Darum musten wir fechten,
Gottes Gnad war uns bereit,
[130]
Da fing sich an zu wehren
Ein werthe Eidgenoßschaft;
Man grif gar bald zum Gewehren,
Der Feind der kam mit Kraft;
Den Ernst wir da nicht sparten,
Und schlugen tapfer drein,
Wohl an dem Morgarten,
Der Letzt wollt keiner sein.
Wir schlugen da den Adel
Mit aller seiner Macht,
Gesträuft han wir den Wadel
Dem Pfau, der uns veracht;
Ein Pfeil hat uns gewarnet,
Das Glück stund auf der Wag,
Gar sauer han wir erarnet
Zwei Sieg an selbem Tag.
Der Feind that uns angreifen
Mehr dann an einem Ort,
Den Schimpf macht er uns reife,
Wir musten laufen fort,
An Brünig zu dem Streite
Zu helfen Freunden gut,
Da gab der Pfau die Weite,
Es kost viel Schweiß und Blut.
Das merket fromm Eidgenossen,
Gedenket oft daran,
Was Blut für euch vergossen,
Laßt euch zu Herzen gahn;
Die Freiheit thut euch zieren,
[131]
Darum gebt Gott die Ehr,
Und sollt ihr die verlieren,
Sie würd euch nimmermehr.
Die Müh ist wohl gepflanzet,
Mit euer Väter Blut,
Die Freiheit der edle Kranze,
Den haltet wohl in Hut;
Den wird man euch abstechen
Sogleich zur solchen Zeit,
Wenn Treu und Glaub wird brechen
Durch Eigennutz und Geiz.
Mir ists, ich sehe kommen
So manchen Herren stolz,
Bringen ein große Summe
Des Gelds und roten Golds,
Damit euch abzumärkten,
Zu kaufen eure Kind,
Die kein Wort können reden,
Noch in der Wiege sind.
Ich thu euch dessen warnen,
Weil Warnung noch hat Plaz,
Gespannt sind euch die Garne,
Die Hund sind auf der Hatz;
Gedenket an mein Treue,
Kein Tell kommt nimmermehr,
Kein Freund alt und neue,
Giebt euch ein besser Lehr.
Thut euch zusammen halten
In Fried und Einigkeit,
[132]
Als eure frommen Alten,
Betrachtet Bund und Eid;
Laßt euch das Geld nicht müssen,
Die Gaben machen blind,
Damit ihr nicht müßt büssen,
Und dienen zulezt dem Feind.
Nehmt hin fromm' Eidgenossen,
Die noch aufrichtig sind,
Dieß Lied hiemit beschlossen,
Thuts schlagen nicht in Wind;
Ein Urner hats gesungen,
Gedichtet und vermehrt,
Zur Warnung, Lehr der Jungen,
Dem Vaterland verehrt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Des Knaben Wunderhorn. Band 2. Wilhelm Tell. Wilhelm Tell. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1282-3