Der Ritter und die Magd

Fliegendes Blat.


Es spielt ein Ritter mit seiner Magd,
Bis an den hellen Morgen.
Bis daß das Mädchen schwanger war,
Da fing es an zu weinen;
»Wein' nicht, wein' nicht, braun's Mädelein,
Dein Ehr will ich dir zahlen,
Ich will dir geben den Reitknecht mein,
Dazu fünfhundert Thaler.«
»Den Reitknecht und den mag ich nicht,
Will lieber den Herrn selber;
Wann ich den Herrn nicht selber krieg,
So geh ich zu meiner Mutter,
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In Freuden bin ich von ihr gangen,
In Trauer wieder zu ihr.«
Und da sie vor die Stadt Augsburg kam,
Wohl in die enge Gasse,
Da sah sie ihre Mutter stehn,
An einem kühlen Wasser.
»Bist du willkommen liebs Töchterlein,
Wie ist es dir ergangen,
Daß dir dein Rock von vorne so klein,
Und hinten viel zu lange?«
»Und wie es mir ergangen ist,
Das darf ich Euch wohl sagen:
Ich hab mit einem Edelherrn gespielt,
Ein Kindlein muß ich tragen.«
»Hast du mit einem Edelherrn gespielt,
Das sollst du niemand sagen.
Wenn du dein Kindlein zur Welt gebierst,
Ins Wasser wollen wirs tragen.«
»Ach nein, ach nein, liebe Mutter mein,
Das wollen wir lassen bleiben.
Wann ich das Kind zur Welt gebähr,
Dem Vater will ich zuschreiben.
Ach Mutter, liebe Mutter mein,
Machet mir das Bettlein nicht zu klein,
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Darin will ich leiden Schmerz und Pein,
Dazu den bittern Tod.«
Und da es war um Mitternacht,
Dem Edelherrn träumt es schwer:
Als wenn sein herzallerliebster Schatz
Im Kindbett gestorben wär.
»Steh auf, steh auf, lieb Reitknecht mein,
Sattle mir und dir zwey Pferd,
Wir wollen reiten bey Tag und Nacht,
Bis wir den Traum erfahren.«
Und als sie über die Heid 'naus kamen,
Hörten sie ein Glöcklein läuten.
»Ach großer Gott vom Himmel herab,
Was mag doch dieß bedeuten.«
Als sie vor die Stadt Augsburg kamen,
Wohl vor die hohe Thore,
Hier sahen sie vier Träger schwarz,
Mit einer Todenbahre.
»Stellt ab, stellt ab, ihr Träger mein,
Laßt mir den Todten schauen,
Es möcht meine Herzallerliebste sein
Mit ihren schwarzbraunen Augen.
Du bist fürwahr mein Schatz geweßt,
Und hast es nicht geglaubet.
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Hätt dir der liebe Gott das Leben geschenkt,
Fürwahr ich hätt dich behalten.
Hast du gelitten den bittern Tod,
Jezt leid ich große Schmerzen.«
Er zog das blanke Schwerdt heraus
Und stach es sich ins Herze.
»O nein! o nein! o Edelherr, nein,
Das sollt ihr lassen bleiben,
Es hat schon manches liebe Paar,
Von einander müssen scheiden.«
»Macht uns, macht uns ein tiefes Grab,
Wohl zwischen zwey hohe Felsen.
Da will ich bey meinem herzliebsten Schatz,
In seinem Arm erstehen.«
Sie begruben sie auf den Kirchhof hin,
Ihn aber unter den Galgen.
Es stunde an kein Vierteljahr,
Eine Lilie wächst auf seinem Grabe.
Es stund geschrieben auf den Blättern da,
Beyd wären beysammen im Himmel.
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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Des Knaben Wunderhorn. Band 1. Der Ritter und die Magd. Der Ritter und die Magd. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-132B-0