80. Die sieben Frauen zu Vöhrenbach.

Als Vöhrenbach noch heidnisch war, siedelten sich in seiner Nähe sieben christliche Jungfrauen an und führten ein klösterliches Leben. Sie brachten manche Männer, Frauen und Kinder der Stadt zum wahren Glauben, zogen aber dadurch sich den Haß der andern Einwohner, vornehmlich des Schultheißen Mändle zu. Auf seinen Befehl nahm man sie gefangen und versuchte durch verschiedene Pein, ja, durch Androhung des Todes, sie vom Christenthum zum Heidenthume zu bringen. Da alles dieses vergeblich war, wurden sie von einem falschen Zeugen der Zauberei angeklagt und vom Stadtrath, trotz ihrer offenbaren Unschuld, als Hexen zum Feuertode verurtheilt. Vor der Anzündung des Scheiterhaufens sprach eine der Jungfrauen: »So gewiß sind wir unschuldig, als Vöhrenbach dreimal verbrennt!« »Als der Stadtrath nie ein Jahr lang vollzählig bleibt, und das Geschlecht Mändle ausstirbt!« sagte die zweite; »Ihr das Hochgericht verliert!« die dritte; »Eure Silbergruben unergiebig werden!« die vierte; »Eure Obstbäume keine Früchte mehr tragen!« die fünfte; »Euer Götzentempel eingeht!« die sechste. Ungeachtet dieser Drohungen verbrannte [70] man die sechs Jungfrauen mit einander; die siebente aber verschonte man, in der Hoffnung, sie noch von Christus abwendig zu machen. In der folgenden Nacht sah diese Jungfrau ihre Gefährtinnen in der himmlischen Herrlichkeit und betheuerte darauf vor den Richtern, daß sie niemals ihrem Heiland untreu werde. Da ward auch sie verbrannt, nachdem sie, vom Scheiterhaufen aus, noch ein Gebund von sieben goldenen Schlüsseln auf die Erde geworfen und gesprochen hatte:

»So gewiß bin auch ich unschuldig, als an der Stelle, wo ich diese Schlüssel hinwerfe, ein Brunnen entsteht. Darin wird alle sieben Jahre, am Charfreitag vor Sonnenaufgang, ein Fisch mit den Schlüsseln um den Hals erscheinen; aber nur derjenige kann ihn sehen, der ganz rein von Sünden ist.«

Im Augenblicke entsprang auf dem Platz eine Quelle, und auch die übrigen Vorhersagungen der Jungfrauen gingen mit der Zeit alle in Erfüllung.

Jetzt steht da, wo die Verbrennung geschehen, ein Michelskirchlein, welches auch die Siebenfrauenkapelle heißt, worin die Gefangennehmung und Hinrichtung der Jungfrauen auf einem Gemälde dargestellt ist. Zu der Kapelle, wie zu dem Brunnen, der bei ihr hervorquillt und Heilkraft besitzt, wird häufig gepilgert, besonders von kleinen unschuldigen Mädchen, deren gewöhnlich sieben miteinander gehen. In dem Brunnen ist auch der Fisch mit den Schlüsseln schon gesehen worden, welche zu der Kiste gehören, die den großen Schatz der sieben Jungfrauen birgt. Wo diese Kiste sich befindet, ist niemand bekannt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Baader, Bernhard. Sagen. Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. 80. Die sieben Frauen zu Vöhrenbach. 80. Die sieben Frauen zu Vöhrenbach. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1689-4