151. Das alte Schloß zu Baden.

Auf dieser verfallenen Burg hielt sich früher eine außerordentliche Menge riesenhafter Schlangen auf, deren Köpfe so groß wie die der Katzen waren. Vor siebzig bis achtzig Jahren rottete man sie dadurch aus, daß man förmlich Jagd auf sie machte, wobei viele Wägen voll geschossen wurden.

Einem Mann von Balg begegnete eines Abends, auf dem Weg zum Schlosse, ein unbekannter fahrender Schüler, [135] der ihn mit Namen anredete und ihm sagte, wenn er mit ihm gehen wolle, so könne er Geld genug bekommen; aber er dürfe kein Wort reden, sonst koste es ihm das Leben. Der Mann erklärte sich bereit, worauf ihn der Schüler durchs Gebüsch bergaufwärts führte und von einem alten Eichstamme, auf welchen er kletterte, einen großen Schlüssel holte, mit dem er, als sie in den Burgkeller gekommen waren, eine eiserne Thüre öffnete. Durch diese gelangten sie in mehrere Gemächer und zuletzt in ein kleines Gewölbe, in dessen Mitte eine große Kiste von Eisen stand. Auf derselben saß ein schwarzer Pudel mit feurigen Augen, und in jedem der vier Ecke des Gewölbes ein Geharnischter mit einem Spieße. Der Schüler trat zur Kiste und sprach etwas Lateinisches, worauf der Hund herab sprang, und die Geharnischten, die vorher zu schlafen schienen, die Köpfe in die Höhe richteten. Nachdem der Schüler den Deckel der Kiste aufgemacht hatte, gab er dem Mann ein Zeichen, daß er von den weißen Schafzähnen, womit sie bis oben gefüllt war, nach Belieben nehmen solle. Derselbe getraute sich jedoch nicht, seine Taschen voll zu stecken, sondern hörte bald auf zu nehmen, worauf der Schüler den Deckel wieder zumachte, und der Pudel sogleich darauf sprang. Als die Männer das Schloß verlassen hatten, schied der Schüler von seinem Begleiter, indem er ihm sagte, er werde bereuen, nicht mehr aus der Kiste genommen zu haben. Zu Hause angelangt, eilte der Mann, seine schwergewordenen Taschen zu leeren, und sieh! statt der Schafzähne fielen lauter Goldstücke heraus. Am nächsten Tag, und nachher noch einigemal, ging er wieder auf den Schloßberg, um Geld zu erhalten; allein er fand den Eichstamm, worauf der Schlüssel gewesen, und [136] die Thüre zum Gewölbe eben so wenig wieder, als er jemals mehr den Schüler zu Gesicht bekam.

Beiläufig zwanzig Jahre später träumte nachts einem Bauer in Scheuern, er solle auf den Kohlenplatz bei der Burg gehen, den Schlüssel nehmen, der dort auf einem runden Stein liege und damit im Schloßkeller die Thüre eines Gewölbes aufschließen, worin eine große Eisenkiste voll Geld stehe. Nachdem der Mann am nächsten Tage, dem Dreikönigsfeste, den Traum seinem Nachbar anvertraut hatte, gingen beide in der Nacht, mit Laternen und Säcken, nach dem Kohlenplatz, welchen sie, trotz des tiefen Schnees, mit dem Glockenschlag elf erreichten. Sie fanden und thaten alles, wie es dem Bauer geträumt hatte; aber auf der Kiste lag ein gewaltiger Pudel mit feurigen Augen, welcher den Rachen gegen sie aufsperrte und sie anzufallen drohte. Da liefen sie voll Schrecken aus dem Schlosse und den Berg hinunter, während es hinter ihnen krachte, als stürze die Burg zusammen. Als sie in Sicherheit waren, bemerkte der Mann, daß er den Schlüssel zu dem Gewölbe noch bei sich habe; allein er fürchtete sich, ihn zu behalten und überlieferte ihn den Jesuiten in Baden, indem er ihnen den ganzen Hergang erzählte. Mit Hülfe des Schlüssels sollen nachher diese Ordensleute die Kiste voll Geld in ihren Besitz gebracht haben.

Am Anfang dieses Jahrhunderts zog in den Schloßkeller ein Einsiedler, der die Iburg wegen des argen Geisterspukes hatte verlassen müssen. Zwar kam auch in den Keller jede Nacht ein Gespenst mit einem flammenden Kessel, worin es eine Stunde lang rührte und dann wieder fortging, jedoch kümmerte es sich gar nicht um den Einsiedler, der daher ruhig auf seinem Mooslager [137] liegen bleiben konnte. Dieser Mann war von großer Frömmigkeit, und seine Nahrung bestand aus so wenig Wurzeln und Kräutern, daß er selbst einmal sagte: er lebe von den drei Elementen, Feuer, Wasser und Luft. Auf seinem Hute trug er einen gläsernen Knopf, der die Eigenschaft hatte, seinen Besitzern großes Glück zu bringen. Trotz alles dessen duldete ihn die Herrschaft nicht auf dem Schlosse und ließ ihn sogar nach Mannheim in Verwahrung bringen. Dort ist er längst gestorben und begraben; sein Leichnam aber noch heute ohne irgend ein Zeichen der Verwesung.

Vor etwa dreißig Jahren ging eines Morgens eine Frau, die in Baden das Bad gebrauchte, mit ihrem sechsjährigen Mägdlein auf die Burg. Nachdem sie eine Zeitlang darin umhergegangen, kam sie an eine Thüre und klopfte daran, worauf dieselbe geöffnet wurde. Die Frau trat mit ihrem Kinde hinein und befand sich in einem Gewölbe, worin drei Klosterfrauen waren. Diese empfingen sie freundlich und schenkten dem Mägdlein, da es anfing unruhig zu werden und zu weinen, eine Schachtel voll Sand. Ueber dem Spielen damit beruhigte sich das Kind, verschüttete aber gegen die Hälfte des Sandes. Als die Frau glaubte, es wäre bald Mittag, nahm sie von den Nonnen Abschied und ging mit ihrem Mägdlein nach Baden zurück. Dort erfuhr sie, daß es schon abends halb sechs Uhr sei und merkte nun wohl, daß ihr Kind wegen Entbehrung des Mittagessens so unruhig gewesen. Bei Oeffnung der Schachtel fand sie den Sand, der darin geblieben, in kostbare Demantsteine verwandelt, wodurch sie auf einmal in großen Reichthum gesetzt war.

Diese Geschichte wird auch mit folgenden Abweichungen erzählt: Statt der Nonnen schenkt eine vornehme [138] Frau im Rittersaale die Schachtel her; diese enthält kleine Kieselsteine, und die darin zurückbleibenden verwandeln sich in beiläufig achtzig Stück Goldkörner. Nachher sucht die Mutter des Kindes die vornehme Frau noch einigemal im Schloß auf, kann sie aber nicht wieder zu Gesicht bekommen.

In einem Winter kam ein Bauer aus Ebersteinburg an drei von einander entfernten Tagen auf das Schloß, wo im Hauptgang stets ein alter Mann mit weißem Barte saß und Brodstücklein verlas. Jedesmal bat er den Bauer, ihm in den Keller zu folgen, was derselbe die beiden ersten Male zwar that, allein, kaum hineingekommen, aus Furcht wieder heraussprang, das dritte Mal aber gar nicht mehr wagte, worauf ein so fürchterliches Krachen entstand, daß er über Hals und Kopf davonlief.

Eine Kräuterfrau von Baden sah eines Mittags um zwölf Uhr auf den Felsen hinter dem Schlosse eine weiße Weibergestalt mit einem Bund Schlüssel sitzen, welche ihr winkte, zu ihr zu kommen. Erschrocken lief die Frau hinunter in die Stadt und erzählte, was sie gesehen, worauf gleich mehrere Leute sich hinauf machten, aber die Gestalt nicht mehr antrafen.

In dem Walde bei der Burg begegnete einer andern Frau ein schattenähnlicher Geist, dem sie, aus unwiderstehlichem Drange, folgen mußte. Er führte sie zu einem Bäumchen ganz von Golde, bei dessen Anblick sie schreiend davon lief. Zwar kam sie, am andern Tage, mit ihrem Mann auf den Platz und suchte das Bäumchen, aber da war es nicht mehr zu finden.

In der Nacht vom Fastnachtsdienstag auf Aschermittwoch sahen einst einige Bewohner der Dolle die[139] Burg ganz in Feuer stehen, von welchem aber, als sie am nächsten Morgen nachsahen, keine Spur zu entdecken war.

In dem unbewohnten Schlosse ertönte öfters Geläute und reisiges Getöse. Daselbst haben manche Leute von unsichtbaren Händen Ohrfeigen bekommen, und nach andern ist mit Steinen geworfen worden, die sie jedoch beim Nachsuchen gewöhnlich nicht finden konnten.

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TextGrid Repository (2011). Baader, Bernhard. Sagen. Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. 151. Das alte Schloß zu Baden. 151. Das alte Schloß zu Baden. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-17B1-F