98. Der Schlangenhof.

Der Schlangenhof im Schappacher Stabe hat seinen Namen von den Schlangen, welche bei dem ehevorigen 1 Hofbauer in größter Menge sich aufhielten. Dieselben füllten Haus und Hof an, steckten in den Betten, Kisten und Kästen und waren im Stall, wo ihr König wohnte, so zahlreich, daß oft die Mägde, bei dem Füttern des Viehs, sie armvollweis aus der Krippe nahmen. Dieser König unterschied sich von den andern Schlangen durch eine schimmernde Krone auf dem Haupte; wenn er den Hof verließ, begleiteten ihn alle Schlangen, gleich wie sie nachher auch sämmtlich mit ihm zurückkehrten. Nicht allein mit dem Vieh, sondern auch mit den Leuten des Hofguts hatten sich die Schlangen ganz befreundet; sie [86] wanden sich traulich um dieselben, ließen sie auf sich umhertreten und fraßen mit ihnen aus der Schüssel. Wenn hierbei eine blos Milch und nicht auch Brod wollte, schlugen sie die Kinder scherzhaft auf den Kopf, indem sie ihr zuriefen: »Friß auch Brocken, nicht lauter Brühe!« Niemand fügten die Schlangen ein Leid zu; dagegen durfte auch ihnen keines angethan werden, so lange der Hofbauer am Leben war. Allein nach dessen Tod wollte der neue Gutsbesitzer sie nicht mehr bei sich dulden; er erschoß ihren König, und am nächsten Morgen waren alle auf immer verschwunden. Mit ihnen wich aber auch von dem Hofgute der Segen, welcher, während ihres Dortseins, so reichlich darauf geruht hatte.

Fußnoten

1 So hieß es im Jahr 1836, wo diese Sage mir erzählt wurde.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Baader, Bernhard. Sagen. Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. 98. Der Schlangenhof. 98. Der Schlangenhof. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1B0F-C