435. Seifriedsburg.

In einer Lache bei dem Kloster Schönau an der Saale haus'te vor Zeiten ein Lindwurm, der in der Gegend viel Schaden that. Der Sauhirtenbube des benachbarten Dörfleins, welcher Fritz hieß, nahm sich vor, das Unthier zu bekämpfen. Zu dem Ende band er auf[378] der Wiese an der Lache, auf welcher der Lindwurm sich zu sonnen pflegte, ein Lamm an, und als dieser es gierig auffraß, fiel er ihn an und erlegte ihn. (Manche sagen, er habe ihn mit Steinen todt geworfen.) Darauf schnitt er ihm die prächtige Krone vom Kopfe und badete sich in der Lache. Durch den Aufenthalt des Lindwurms hatte das Wasser die Eigenschaft bekommen, hieb- und stichfest zu machen, und der Bube erhielt durch das Bad absichtslos diese Festigkeit. Als er erwachsen war, zog er mit in den Krieg gegen die Ungläubigen, wo er durch seine große Tapferkeit sich Adel, Reichthum und die Erlaubniß erwarb, ein Schloß zu bauen, wo er wolle. Da wählte er seine Heimath und ließ sich unterhalb seines Geburtsdorfes, auf demselben Berg, eine stattliche Burg aufführen. Dieses Schloß wurde nebst dem Dorfe »Säufritzburg« benannt, weil er in seiner Jugend »Säufritz« geheißen worden. Lange Zeit hatte das Schloß gestanden, als einmal in der Heuärnte, am Simpliciustag, ein schweres Gewitter kam. Die Burgleute, welche auf der Wiese bei dem Schloß beschäftigt waren, eilten alle nach Hause, bis auf eine Magd, welche da blieb und rief:


»Es mag donnern oder blitzen,

So muß ich meinen Heuhaufen spitzen!«


Kaum war dies gesagt, so fuhr ein gewaltiger Blitzstrahl herab und erschlug die Magd und zündete die Burg an, die ganz abbrannte. Zugleich fiel ein Wolkenbruch, welcher alle gute Erde der Wiese und das Heu in das Thal hinabflößte und eine lange, tiefe Schlucht in den Berg riß. Seit dieser Zeit wird jedes Jahr im Dorfe Seifriedsburg der Simpliciustag kirchlich begangen. Von dem Schlosse steht noch einiges Gemäuer, und der dortig Graben heißt der Burggraben.

[379] In der Schönauer Kirche befindet sich auf dem linken Seitenaltar das Standbild des Ritters Fritz, der den Lindwurm erlegt, 1 und die in eine Wiese umgewandelte Lache trägt noch jetzt den Namen der Lindwurm.

Fußnoten

1 In Wahrheit ist es der heilige Georg mit dem Drachen. Auf dem andern Seitenaltar steht das Bild des Erzengels Michael, unter dessen Fuße die höllische Schlange sich krümmt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Baader, Bernhard. Sagen. Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. 435. Seifriedsburg. 435. Seifriedsburg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1DC3-4