710. Der wandelnde Mönch

Ein Herzog zu Koburg hat Krieg geführt mit einem Bischof zu Bamberg und in demselben zwölf Junker gefangengenommen, die auf die Feste über der Stadt gebracht und dort in leidlicher Verwahrung gehalten wurden. Sie durften sich im Hofe ergehen und Kurzweil treiben und ließen es daran nicht fehlen. Da kam einstmals der Schloßkaplan, der ein alter finsterer Mönch war, die Schloßtreppe herunter, auf welcher etwa die Junker, die ihn nicht gern sahen, Erbsen gestreut haben mochten. Wie nun der alte fette Pfaff ausglitt und die Treppe herabkugelte, schlugen sie allzumal ein lautes Gelächter auf, der Mönch aber schlich davon mit grimmem giftigen Blick und verklagte die Junker beim Herzog und reizte ihn zu heftigem Zorne. Dieser befahl, daß die Junker in der Mitternachtstunde hingerichtet werden sollten, und sollten so viele Häupter fallen, als der Turmwart Hornstöße tun würde. Dies strenge Gebot wurde lautbar und kam auch zu der Herzogin, die war sanft und gut und bat bei ihrem Gemahl für der Junker Leben und besänftigte seinen Zorn, daß er sagte, es solle nur einer sterben. Aber auch den Tod des einen wollte die edle Herrin verhindern, und damit der Turmwächter in dieser Nacht gar nicht in das Horn stoße so ließ sie diesen rufen und in einem sichern Gemach verwahren, doch mit Tank und Speise wohl versehen. Aber die Junker wurden zur Mitternacht in den Schloßhof bei Fackelschein zum Schafott geführt, damit sie mindestens die Angst bekämen für ihre Gottlosigkeit, und der Scharfrichter machte sich bereit und hieß sie alle niederknieen und hob sein Schwert. Der Scharfrichter wußte aber nicht, daß der Herzog seinen Befehl zurückgenommen. Indem so schallte der Ruf der Mitternachtstunde grausig von dem Turme her, und Meister Hämmerling übte beim blutigen Scheine der Fackeln sein blutiges Amt; es fiel ein Haupt – und wieder ein Hornstoß – und wieder ein Haupt, und noch eins, und noch eins. Die Herzogin hörte es, stieß einen Schrei des Schreckens aus und fiel in Ohnmacht, der Turmwächter hörte es und entsetzte sich; der Herzog vernahm den Schall und eilte zornig zum Turme. Wie der tückische Pfaffe, welcher wußte, daß der Turmwart fehlte, an seiner Statt den zwölften Hornstoß tat, fiel des letzten Junkers Haupt, und fuhr ihm des Herzogs Schwert in das rachsüchtige Herz, und dann packte ihn der ergrimmte Herr und warf ihn vom Turme hinunter. Nun wandelt der Mönch als ein Geist umher in und um die St. Moritzkirche, und bisweilen tutet er, wie die Tut-Osel, daß alles erschrickt.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 710. Der wandelnde Mönch. 710. Der wandelnde Mönch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-21F5-8