XVI. Auerbachs Keller.

»Das Leben froh geniessen, ist eine Kunst, gar werth,
Die Professorenweisheit, Magisterwitz nicht lehrt.
Musst sie vom Leben lernen, das lehrt ohn' Unterlass,
Dann wird das Universum Dir Universitas!«
So spricht der Geist zu Faustus, der wieder traurig sass,
So gern vergessen mochte, doch immer nicht vergass;
Gern hätt' erlöschen sehen der Lebenslampe Docht,
Und gern sich selbst begraben, hätt' er das nur vermocht.
»Das Leben ist ein Becher, der Gall' und Honig eint;
Ist Fackel, die bald aufflammt, bald zu verlöschen scheint;
Ein Würfel, der dem Spieler bald viel, bald wenig zeigt;
Ein Sprosser, der im Mai singt, dann lange, lange schweigt.«
»Du musst den Becher leeren, auch Gall' ist Arzenei!
So lang' die Fackel leuchtet, steht Dir zu wandeln frei!
Und zeigt Dir Glück der Würfel, erfass' es, halt' es fest!
Wenn Sprossers Lied verstummt ist, dann sitzt er warm im Nest.«
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›Auf denn! Aufs Neue rasen! Den vollsten Becher mir!
Ich will ihn durstlos leeren, und taumeln zur Begier!
Den Arzt her, der mir Mohnsaft für innern Schmerz verschreibt!
Wird nicht der Schmerz gehoben, so wird er doch – betäubt!‹ –
Er sitzt in Au'rbachs Keller, den Sang und Klang durchtönt,
Womit so gern die Freude die Lust der Becher krönt;
Sein Wagner ihm zur Linken im stattlichen Talar,
Und zu des Meisters Füssen ruht still Prästigiar.
Und bald ein leises Flüstern durchläuft der Gäste Reih'n,
Und mancher Blick fliegt lüstern nach Faustus übern Wein.
»Das ist er, Freunde, seht ihr den hochberühmten Mann?
Dem alle Wunder Spielwerk, der trefflich zaubern kann?«
»O gäb' er uns, den Gästen als leckres Schaugericht,
Auch einen Schwank zum Besten! Wie köstlich wär' es nicht!
Ist Keiner, der ihn angeht mit feiner Höflichkeit?
Ihm wär' solch Ding ein Leichtes – wir wären all' erfreut!«
So geht die leise Rede, sie wird im Keller laut,
Und wünschend und verlangend auf Faustus Jeder schaut.
Und Wagner neigt sich lächelnd und flüsternd zu dem Herrn:
»Die werthen Gäste sähen von Euch ein Wunder gern!«
Und Faustus: »Dass die Menschen doch stets ein Trieb erfüllt,
Zu schauen das, was schweigsam sich tief in Räthsel hüllt!
Verlassen wird das Bildniss, ist der Schleier abgestreift;
Um Gott selbst wird's geschehn sein, wenn ihn der Mensch begreift!«
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»Geheimniss, o Du Zauber vor allen Zaubern gross!
Du gehst mit Wundern schwanger, Dir ruht ein Gott im Schooss.
Du hast schon manch Jahrtausend in dunkler Nacht gethront,
Und keiner Deiner Priester ging von Dir unbelohnt!«
»Was mühen sich die Küfer dort um das Stück voll Wein?
Und bringen's nicht von dannen, könnt's einer doch allein!« –
Und wie sich nun um Faustus schnell drängt der Gäste Schaar,
Spannt der mit seidnen Fäden ans Fass Prästigiar.
Und setzt sich drauf als Reiter, so dass es Alle sehn;
Drauf sich das Fass beweget, als hüb' es Sturmeswehn,
Aufwärts die Kellerstufen – wie jauchzen Alt und Jung!
Wie mischt sich Staunen, Grausen, Schreck und Bewunderung!
Und Faustus geht, halb lächelnd, halb trüb und missgestimmt.
Ihm folgt mit dumpfem Murren Prästigiar ergrimmt.
Doch von der Schaar, die lustfroh sich um das Stückfass zog,
Schallt noch zu Becherklängen manch lautes Lebehoch.
»Hört Ihr die Menge jubeln? Ihr habt sie froh gemacht!
Kein heitrer Bild im Leben, als wenn das Leben – lacht.
Seid Ihr auch selbst nicht glücklich, macht Ihr doch Andre froh,
Doch, blicket nicht so düster, sagt, was verstimmt Euch so?«
So Wagner spricht, und Faustus: »Der Jubel – freut mich nicht;
Der Freude bin ich abhold, und Freud' erfreut mich nicht.
Und Heiterkeit erheitert mich nicht und freut mich nicht!
Mein Glücksschiff ist zerscheitert, das Leben – freut mich nicht!«
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»Das Leben froh geniessen, ist eine Kunst, gar werth,
Weil zu der reinen Freude ein reines Herz gehört.
Und ich kann nimmer froh sein, mich quält ohn' Unterlass
Ein fluchbeladner Dämon – ich nenn' ihn: Lebenshass!« –
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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Lyrik. Faustus. Ein Gedicht. 16. Auerbachs Keller. 16. Auerbachs Keller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-22B0-9