578. Die Schätze in den Camsenbergen

Zwischen Pößneck und Oppurg liegen zwei Berge, die Camsen- oder Chamsenberge genannt. Einer zeigt nach Süden zu eine Felsenspalte, diese soll der Eingang zur großen Schatzhöhle der Camsenberge sein. Die Sage geht, daß erst ein schmaler Gang lange durch das Innere führe, der sich dann zu einer mächtigen Halle erweitere. Ganz in der Tiefe endlich da steht eine Braupfanne voll roten Goldes, aber abgeschlossen durch eine eiserne Doppeltüre und gehütet von einem feuerschnaubenden Drachen. Wer so glücklich wäre, hineindringen zu können und im finstern Höhlengraus den Kampf mit dem Drachen zu[392] bestehen, der würde Besitzer des Goldhortes werden. Die Camsenberge sind bezüglich ihres Sagenreichtums, was die Hörseelenberge, die Hermannsberge, der Wartberg, der Singerberg, der Schneekopf und andere thüringische Höhen. Ein Schloß des Namens Osteralitz ist dort versunken; ein weißes wandelndes Fräulein hütet die Schätze. Wandernde Musikanten sahen ein leuchtendes Licht, laufen davon, nur der Baßträger, der ärmste, kann nicht so schnell nach. Das Licht kommt näher, wird zur Feuerkugel, zerplatzt knallend, feurige Kohlen stäuben umher, einige fallen auch durch das Schalloch in den Rumpelbaß und werden drinnen zu Goldstücken. – Graue Männlein laden und führen Bauern, Schäfer, Hirten, Knaben in das Bergesinnere, viele kehren begabt zurück. Eine Magd ward hineingelockt, die ein Kind trug; Brot und Gold sollte sie nehmen, doch zugleich. Sie setzt das Kind auf die Tafel, rafft zusammen, was nur in die Schürze geht, rennt fort nach Oberoppurg zur Herrschaft. Wo hast du das Kind? – Herr Gott, vergessen im Camsenberge! – Rennt wieder hin, findet den Eingang noch offen, findet das Kind, nimmt es vom Tische, trägt's heraus – wie sie herauskommt, ist es Asche. Vieh ward von den Herden entführt und in die Stallung des versunkenen Schlosses gebracht, doch der Verlust den Hirten reich vergolten. Die Wunderblumen fehlen so wenig wie die Wunder am und im Camsenberge. Es gibt Orte, an denen die Sagen selbst dem quillenden Silber im Harzwald bei Thale zu vergleichen sind – die Camsenberge sind ein solcher Ort.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 578. Die Schätze in den Camsenbergen. 578. Die Schätze in den Camsenbergen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2341-E