668. Der Teufelsrachen

Unter Königingrätz lag dicht an der Elbe Opatowitz, der Klöster reichstes. Dieses Benediktinerstift besaß einen unermeßlichen Schatz, aber niemand außer [444] dem Abt und den zwei ältesten Mönchen wußte dieses Schatzes Ort, wo er verborgen war. Da Kaiser Karl IV. ein Verlangen trug, den Schatz zu sehen, so ward ihm dieses zwar gestattet, doch nur ihm allein und unter dem Beding, daß er mit verbundenen Augen in die Schatzkammer sich führen lasse. Dies geschah, und der Kaiser sah erstaunt all den Reichtum und die Pracht, tat ihm freilich wehe, daß der Schatz, ein Wert von vier Millionen Goldgülden, nicht sein sei und so tot daliege, hätt' ihn wohl brauchen mögen zum Bau seines Karlstein, des herrlichen Schlosses, und ging unerfreut wieder von hinnen. Da kam die schreckliche Zeit der Hussitenkriege, und der Hussitenfeldherr Ziska trug auch großes Verlangen, mit seinem einen Auge zu sehen, was Karl IV. mit zweien gesehen hatte, und wollte des Schatzes ein fröhlicher Finder und Erheber sein. Allein die Mönche wußten von keinem Schatz; da ließ der schreckliche Held den Abt und die Mönche grausam martern, den Ort anzuzeigen, ließ auch die Abtei durchsuchen von unten bis oben, alle Gänge, Keller, Kerker – jene bekannten nichts, und die Krieger fanden nichts. Und der Abt hatte zu Ziska gesagt: Eher in des Teufels Rachen den Schatz als in deinem! – und war in seiner Marter gestorben. Nahe beim Kloster aber war des Teufels Rachen gelegen, eine wilde unheimliche Stromtiefe, oft brausend und überschwellend und um sich greifend und drohend, über die Czezerkaseen zu brausen, die dort in der Niederung liegen, das Land zu verschlingen und ein Meer zu bilden. Und siehe, in einer Sturmnacht nahm sich der Teufelsrachen das Kloster samt dem Schatz, es versank und verschwand, und die Wellen wogten darüber hin. Bei kleinem Wasserstand, wenn die Elbe ruhig fließt, sehen die Fischer noch etwas von den Klostermauern. Noch verewigt den Namen des Klosters der Opatowitz-Kanal, der gegraben wurde, um dem Strome mehr Abfluß zu verschaffen, denn den Teufelsrachen zu stopfen, ward auch hier unmöglich befunden.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 668. Der Teufelsrachen. 668. Der Teufelsrachen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-261A-0