429. Kaiser Friedrichs Gaben

Viele haben den Kaiser Friedrich sitzen sehen in seiner unterirdischen Halle, bald allein, bald im Kreise seiner Wappner, bald mit der Prinzessin, seiner Tochter. Manchem Schäfer erschien ein Zwerg, manchem die Tochter selbst. Ein Schäferknabe pfiff auf seiner Schalmeie ein höfisches Lied, da hob sich hinter ihm ein ehrwürdiges Greisenhaupt und fragte mit milder Stimme: Wem hat dies Lied gegolten, Knabe? – Und der Knabe rief kecklich: Kaiser Friedrichen hat es gegolten! – Und da winkte der Greis dem Knaben, daß er ihm folgte, und der Knabe ward hinabgeführt von dem Greise, und drunten, wo alles voll Schätze lag, standen die Wappner und neigten sich tief vor dem Alten. Da sah der Schäfer erschreckend, wer sein Führer war, und der Kaiser sprach: Dieser Knabe hat uns geehrt!, zeigte ihm der unterirdischen Halle Pracht und Glast, brach von einem Gefäß einen Fuß und gab den dem Knaben und sprach: Gehe und künde es droben: wann die Zeit sich erfüllet, daß Gott der Herr aus diesem Bann uns löset, dann soll das Deutsche Reich frei werden. Der Schäferknabe kam herauf, er wußte nicht, wie ihm geschehen. Des Kaiser Friedrich Gabe in seiner Hand war von purem Golde.

Ein anderer Hirte, aus Sittendorf, stand droben an dem Kaiser-Friedrich-Turm, voll Kummer, denn er hatte ein Liebchen, das er nicht heiraten konnte, weil er zu arm war. Da sah er eine schöne blaue Blume im Winde nicken, die pflückte er und steckte sie auf seinen Hut. Da schaute aus des Turmes Mauerspalte ein Gezwerg, das winkte dem Hirten, und er kroch ihm nach. Drunten sah er viele schöne Steine, von denen hob er welche auf, und überm Bücken entfiel ihm die Blume. Im Zwielichtdämmer sah er in der Tiefe der Bergeshöhle den Kaiser Friedrich sitzen, aber es grausete ihn, und er wandte sich zurück. Vergiß das Beste nicht! rief der Zwerg ihm zu, doch der Hirte enteilte. Droben stand er wieder, außen am Turme, und wieder rief der Zwerg aus dem Gemäuer: Wo hast du die Blume? – Der Hirte nahm den Hut ab und sah, daß die Blume fehlte. Ach – verloren! sprach der Hirte. – O du großer Tor! rief der Zwerg, mehr als der Kyffhäuser und die Rothenburg war die Blume wert!, und verschwand. Am Abend kam zu seinem Mädchen der Hirte und erzählte ihm, was ihm begegnet – an die Steine dachte er – er zog sie aus der Tasche, und o Freude! sie waren klingendes Gold.

[295] Einem armen Schäfer, der gar schön auf seiner Flöte blies, erschien am Kaiser Friedrich ein Zwerglein und fragte ihn, ob er wohl den verwünschten Kaiser sehen und ihm ein Stücklein aufspielen wolle. Der Schäfer sagte ja und kam in die Tiefe und blies. Da hob der Alte sein Haupt aus dem Schlummer und fragte: Fliegen die Raben noch um den Berg? – Sie fliegen noch, antwortete der Schäfer. – Da erseufzete der Kaiser Friedrich und sprach traurig: Aberhundert Jahre schlafen!, und nickte ein. Darauf hat der Zwerg den Schäfer wieder emporgeführt und ihm gar nichts gegeben, und dachte der Schäfer bei sich, hier unten ist auch Dürrhof, gerade wie droben; der Geber ist gestorben, der Schenker ist verdorben. Um den Turm lag des Schäfers kleine Herde. Klein? Wie war sie doch so zahlreich! Hatte wohl ein guter Kamerad seine größere Herde auch herzugetrieben? Wo war er denn? Es war kein anderer Hirte da. Der Schäfer zählte und zählte, von eins zu zehn und mehr, zwanzig, bis funfzig, und immer mehr, hundert Stück mehr als heraufgetrieben, die waren sein, die waren für das Flötenstücklein Kaiser Friedrichs Gabe.

Ein Kornfuhrmann aus Reblingen im Ried, der Getreide nach Nordhausen fahren wollte, ward durch einen Zwerg veranlaßt, das Korn in den Kyffhäuserberg zu fahren, aber nicht mehr von dem im Gewölbe in zahlreichen Fässern offen stehenden Golde zu nehmen als den Marktpreis und -wert. Er tat's und brachte uraltes Geld mit heraus. Ein anderer, aus Gehofen, dem das gleiche unter gleicher Bedingung begegnete, sackte sich die Taschen mächtig voll, der hatte, als er zu Tage kam, nur alte verwitterte Münzen von Blei, rannte wieder auf die Burg, rief nach dem Zwerge, bat, ihm doch nur zu geben, was seine Ware wert, aber es ließ sich kein Zwerg mehr sehen. Da begann das Bäuerlein zu fluchen und zu wettern, was das für eine Tausendteufelslumpenwirtschaft sei, daß man hier das Korn um bleierne Plapperte kaufe und auf den alten Kaiser los die Leute beschuppe, und der Donner solle das ganze kaiserliche Geld in den Erdboden verschlagen! – aber das bekam dem Bäuerlein noch schlechter, dieweil es von unsichtbaren Händen noch viel mehr Maulschellen als zuvor Münzen empfing.

Kinder und Erwachsene fanden in den Ruinen oder am Wege hingebreitete Flachsknotten, bisweilen selbst zur Winterzeit – Musikanten, die in Winternächten am Kyffhäuser vorüber spielend zogen, empfingen grüne Zweige – wer solche Dinge fand oder erhielt, ihrer nicht mißachtete, dem wurden sie zu Gold. Durstenden wurde Getränk beschert. Einer Burschenschar, die fröhlich bei ihrem Bier Kaiser Friedrichs Gesundheit trank, erschien ein kleiner Kellner mit goldenem Becher und zwei Flaschen besonderen Weines und traktierte sie alle und schenkte dem, der die Gesundheit ausgebracht, den Becher. Glückliche Neujahrsänger und Choradjuvanten fanden auf dem Berge mitten im Winterschnee eine Kegelbahn und Männer, die sich mit Kegeln vergnügten; sie empfingen einen Kegel, und als sie ihn herabbrachten, war er ganz Gold. Einer Maid ward im Pfänderspiel scherzend aufgegeben, sie solle auf den Kyffhäuser gehen und Kaiser Friedrichen drei Haare aus dem langen roten Barte ziehen. Die Dirne ging und kam nach einer Stunde wieder und hatte drei lange Haare, brennend rot. Alles staunte. Sorglich bewahrte sie dieselben in Papier gewickelt auf. Als sie ein Jahr später über ihre Lade kam und das Papier in die Hand nahm, war es so schwer, so schwer. Sie öffnete es – die drei Haare waren in drei zolldicke Goldstangen verwandelt.

Und solcher Sagen von des Kaiser Friedrich Gaben ließen sich allein ein Buch vollschreiben.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 429. Kaiser Friedrichs Gaben. 429. Kaiser Friedrichs Gaben. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-26DA-F