XXXV. Liebeswunder.

Ob Faustus Haupte strahlet ein neuer Stern des Glücks,
Der sich im Glanze spiegelt des frohen Flammenblicks.
Und wär' es ein Kometstern, wär's nur ein Meteor,
Nie war der Magus reicher, nie fröhlicher zuvor.
Wer ist die Wunderschönheit, die bei dem Zaubrer wohnt?
Auf deren Rosenantlitz ein ganzer Himmel thront?
Ein Himmel voller Liebreiz, und eine Welt voll Lust,
Der Liebesflammen lodern aus eisumstarrter Brust?
In Greisenbusen werden entschlafne Wünsche wach,
Der stillen Luft vertrauen sie manch geheimes Ach.
In Männerblicken malt sich, was kaum der Mund vorschweigt;
Der Jüngling preist sich selig, dem sie der Traumgott zeigt.
Und dieses Weib, o Faustus, dess Schönheit allentzückt,
Hat nur das eine Streben, dass sie Dich, Dich beglückt.
Von ihren Küssen trunken schläfst ihr am Busen ein,
Und nennst sie wonneschwelgend voll frohen Stolzes Dein.
[142]
Jetzt magst Du Deines Namens recht fröhlich sein in Ruh,
Faustus heisst ein Beglückter, und welcher ist's, wie Du?
Sie liebt Dich heiss die Schöne, die Dir am Herzen liegt,
Wie Anadyomene, von Mavors Arm gewiegt.
Es quillt von ihren Lippen klangreich manch süsses Wort,
In Hellas schöner Sprache rauscht es melodisch fort.
Wie weiss sie hold zu schmeicheln; das Zauberwort philo
Macht Dich wie Liebesjubel der Philomelen froh.
O Liebeslust, wie gleichst Du dem Nachtigallgesang!
In süsser Mainachtdämmrung ein sanfter Flötenklang.
Ein Brautbett, das mit Rosen bestreuet und bekränzt,
Ein Lustpokal, den Freude dem Glücklichen kredenzt.
Du bist ein heilger Lotus, der aus den Fluthen taucht,
Dess stille Blumensehnsucht statt Klagen, Duft verhaucht.
Doch auch die Blume findet ihr Liebeseigenthum,
Und im Entzücken sterbend sinkt das Nelumbium.
O Liebeslust, wie flammst Du, hell wie der Asgardbrand,
Darin ein Götterhimmel einst sein Verderben fand!
Ja, wenn die Feuerriesen der Sinnlichkeit befreit,
Dann heilge, reine Disen, naht Eure letzte Zeit!
Wo Lust und Liebe buhlen, da zeugen sie geschwind
Die Tochter heissen Blutes, und Wollust heisst ihr Kind.
Auf wächst sie zur Virago, die Riesen niederringt;
Der Eumeniden Schönste sie Flammenfackeln schwingt.
[143]
So nennt auch Faustus Liebe, was Liebe nimmer ist,
Ihm scheint der Wollust Urbild die Huldin die er küsst.
Und als er sich ein Reicher, ein Hochbeglückter glaubt,
War er nie mehr des Reichthums, nie mehr des Glücks beraubt. –
In Lieb' und Lust der Liebe verrauscht ihm fast ein Jahr,
Und Helena wird Mutter, das däucht ihm wunderbar.
»Hab' ich nicht von der Hölle nur ein Phantom begehrt,
Um meiner Lust zu fröhnen, und hat sie mehr gewährt?«
»Und wirklich Mutter? Wirklich ich Vater?« – Freudig schlägt
Sein Herz, als ihm die Amme sein Kind entgegen trägt.
Das blühnde Kind, die Wänglein wie rosenübermalt,
Und wie der Mutter Liebreiz aus seinen Augen strahlt!
O Vaterglück, wie füllst Du mit Lust des Mannes Herz!
Eine neue Welt enthüllst Du, trägst Wünsche himmelwärts!
Faust hätte gern gebetet, so fröhlich durft' er sein;
Dass er nicht beten durfte, war jetzt ihm bittre Pein.
Das trübt ob seinem Haupte den neuen Stern des Glücks;
Mit Webmuththränen löscht es den Glanz des Flammenblicks.
Er nennt den Knaben Justus, und seufzet still dazu:
»Gerechter mögest werden als ich, mein Justus, Du!«
[144]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Lyrik. Faustus. Ein Gedicht. 35. Liebeswunder. 35. Liebeswunder. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2BE7-3