178. Der Wode

Im Lauenburger Lande heißt der wilde Nachtjäger Wode, mag wohl ein Namensnachhall des altheidnischen Sachsenvolkgottes Wodan sein. Der Wode jagt vornehmlich, wie der Harz-, Thüringerwald- und Vogtland-Wilde Jäger in der Adventszeit und in den Zwölften. Er reitet das altheilige große weiße Roß, und es folgen ihm vierundzwanzig Hunde. Sein Pferd hat nur drei Beine. Wenn die Wodensjagd auf Zäune stößt, krachen sie gleich zusammen, über Nacht richten sie sich von selbst wieder auf. Des Woden Hunde bleiben bisweilen ermattet liegen, schnaufen, heulen und winseln, so geschah es in Wulfsdorf, in Fühlenhagen u.a. Andern Tages holt sie der Wode wieder. Läßt eine Frau zur wilden Jagdzeit Wäsche im Freien hängen, so wird sie von den Wodenshunden in Fetzen gerissen. Bäckt jemand zu dieser Zeit, so kann er es erleben, daß die Brotlaibe als Jagdhunde auf- und davonfliegen. Läßt jemand die Haustüre unversehens offen stehen, so kann er gewärtigen, daß das Wodensheer hereinzieht, und hindurch, und daß die Hunde auffressen, was sie vorfinden, absonderlich den Brotteig. Doch weiß der Wode solchen Verlust auch zu vergüten. Einst klagte ein Bäuerlein erbärmlich, was es denn nun mit den Seinen essen sollte, und ob es keinen Schadenersatz erhalten sollte. Der Wode schrie: Jo jo! ho ho! – schmiß einen toten Hund aus der Luft herunter dem Bauer vor die Füße und schrie dazu: Wirf’s Aas durch den Schornstein! – Der Bauer erschrak und tat’s. Der tote Hund war schwer. Auf des Bauern Herd zerplatzte der Hundebalg, und es rollte die Küche voll Goldstücke.

Der Wode jagt, wie der wilde Jäger im Vogtland, die Wichtel, Holzweibel und Moosleute, die kleinen Waldfrauen, die Erd- und Bergmännchen, die die Leute dort im Lauenburger Lande Unterirdische nennen. Er vertilgte sie so ziemlich von der Erde. Sein Hauptjagdweg geht um Krumesse herum über das Moor nach Beidendorf zu.

[140] Ein Beidendorfer Bauer wollte einmal abends nach Krumesse zu, da kam ein ganzer Schwarm Unterirdischer dahergelaufen, waren aber dasmal gar nicht bange und riefen: Heut kann er uns nicht kriegen, heut soll er uns wohl in Ruhe lassen, heut hat er sich nicht gewaschen! – Als der Bauer ein Stück weiter gegangen war, fuhr der Wode daher und fragte den Bauer: Was riefen sie?, und der Bauer antwortete: Sie sprechen, du hättst dich von heut morgen nicht gewaschen! – Gleich ließ der Wode sein Pferd halten, ließ es stallen und wusch sich damit – dann ging die Jagd los. Ehe der Bauer Krumesse erreichte, sah er den Wode schon wiederkommen: der hatte ganze Bündel Unterirdische hüben und drüben am Pferde baumeln, wie Krammetsvögelklubs, und hatte sie mit den Haaren aneinandergebunden. Jetzt jagt der Wode bloß noch in der Luft, denn die Unterirdischen, meinen viele, hat er bereits alle von der Erde fortgebracht.

Auch im Mecklenburger Lande wird der wilde Jäger der Wode genannt, und werden von ihm vielerlei ähnliche Geschichten erzählt.

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TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 178. Der Wode. 178. Der Wode. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2BF8-0