443. Der Mönch von Reifenstein
Im Eichsfeld zwischen Worbis und Mühlhausen lag ein Kloster des Namens Reifenstein, das war uralten Ursprunges. Ein Kriegsobrist des Hunnenkönigs Attila, welcher Rive hieß, kam in diese Gegend, ersah sich einen Berg und baute eine Burg darauf, die er Rivestein nannte. Noch ist ihre Stätte gekannt und heißt die alte Burg, der Wald um sie her wird der Burghagen genannt. In später Zeit erwarben die Grafen zu Gleichen und Tonna, denen auch die nahe Burg Gleichenstein gehörte, den Reifenstein, und einer dieser Grafen namens Ernst, welcher söhnelos war, gründete im Tale unter dem Burgberge ein Zisterziensermönchskloster, dazu er Mönche aus dem Kloster Volkenrode nahm und es reich begabte. Damals war das Land umher noch kaum bebaut, nur ein Dörflein, Albolderode, lag in der Nähe. Durch gute und schlechte Zeiten brachte Kloster Reifenstein sich hin, bis die allerschlechteste ihm kam, die Zeit des Bauernkriegs. Da war im Kloster ein nichtsnutzer Mönch des Namens Heinrich Pfeifer, eigentlich Schwertfeger, dem gefiel es nicht in der Kutte und in der Zucht, war tückischen, verschlagenen, boshaften Wesens, mußte oft wegen seiner schlechten Aufführung Pönitenz tun, und da er dies satt hatte, entsprang er aus Reifenstein, zog die Kutte aus und mit ihr den Christen, ja den Menschen. Er warf einen tödlichen Haß auf alle Klöster, vor allem aber auf Reifenstein, rannte nach Mühlhausen und begann dort sein aufwieglerisches Treiben, brachte Verwirrung und Zwietracht zwischen Rat und Gemeinde, verband sich mit dem von Altstadt entlaufenen Pfarrer Thomas Münzer und wiegelte unter Vorwand und Larve der Berechtigung aus göttlichem Wort das gemeine Volk auf, dem nichts lieber war, als nicht zu arbeiten und Korn und Tuch den Reichen aus christlichem Recht abzufordern, denn Christus habe geboten, sagten diese Kommunisten von 1525, mit den Dürftigen zu teilen. Wer da nicht willig gab, dem ward das Seine mit Gewalt genommen. Als der Pfeifer sich sicher sah in einer Rotte aufwieglerischen Gesindels, da hatte er einen schönen Traum – die Rottführer solcher Art haben immer schöne Träume – wie er eine große Herde Mäuse in den Sack jagte, das deutete er also, daß er, der Pfeifer, den ganzen Adel und die Klerisei auf dem Eichsfeld und im Thüringer Lande zu vertilgen und aufzureiben von Gott berufen sei, unternahm daher, trotz Münzers Widerraten, einen [306] Raubzug ins Eichsfeld, brach und verbrannte Klöster und Burgen, während der Schwarmhaufe von Langensalza die Klöster Schlotheim und Volkenrode verwüstete und den Raub nach dem Dorfe Germar nahe Mühlhausen führte; dorthin kam die Bande Pfeifers mit neun Wagen voll Glocken, Haus- und Kirchengerät und Geschmeide. Da empfing sie der Münzer freudiglich als echt christliche Brüder und hielt ihnen vom Pferd herab eine Predigt von der Freiheit und Brüderlichkeit und teilte den Raub. Dann wurden die Schlösser Ebeleben und Almenhausen geplündert und verbrannt, andere Klöster auch heimgesucht und wurde nochmals in das Eichsfeld eingefallen und vor Heiligenstadt gerückt. Da ging es, wie es zu allen Zeiten geht, daß die Bürger teils im Herzen schon dem Aufruhr zugeneigt sind, teils das Herz selbst in der Kniekehle haben und, statt den Raubbanden mit festem Mut entgegenzutreten und ihnen ihr schmutziges Handwerk zu legen, sie einlassen und um die Spitzbuben scherwenzeln. Heiligenstadt nahm die neuen wunderlichen Heiligen mit Karst und Dreschflegel im Dreckkittel so freundlich auf, wie es kaum die lieben Gottesheiligen aufgenommen, wenn solche hätten kommen mögen, und was noch nicht von Klöstern und Schlössern geplündert und verwüstet war, das ward es nun. Ein gewisser Michael Zimmermann lief nach Bartloff, holte Feuer allda und steckte damit Reifenstein in Brand. Als der unsinnige Aufruhr seinen Gipfelpunkt erreicht hatte, setzte Thomas Münzer den trefflichen Pfeifer zum Statthalter in Mühlhausen, und als das Bauernschlachten bei Frankenhausen erfolgt war, entwich auch dieser Held schimpflich zu heimlicher Nachtzeit, wurde verfolgt, eingeholt, gefangen und ihm hernach am Hohlweg nach Buttstädt zu der Kopf abgeschlagen. Er zeigte keine Reue und erlitt den Tod mit trotzigem Gemüte. Für sich selbst hat er nichts erlangt, auch nichts gewollt, aber über die Stadt Mühlhausen brachte er nachhaltiges Weh, schwere Sühne und den lastenden Druck der verbundenen rächenden Fürstenmacht über des Reiches freie Stadt.