[232] Die Nacht

Nun will es Abend werden;
Der rote Himmelsstrich,
Den Eros mit dem Pfeilgefieder
Gemalt zu haben schien, verblich.
Es überbräunt sich leis der Wald;
Die zarten Birkenstämmchen blinken
Nur graulich silbern noch; es ließ
Der Tag die goldene Krone sinken.
Schnell hebt die neidische Nacht sie auf;
Doch ihre kalten Hände eisen
Das Gold zu Silber; durch das Schwarz
Endlosen Raums hebts an, zu gleißen
Da rauscht sie feuchteschwer heran.
Von schwarzem Riesenschwangespann
Wird durch das Luftmeer sie getragen.
Sie lehnt in breitem Muschelwagen.
Erst hält sie, still, am Horizont,
Der purpurglüh sich ausgesonnt.
Dann breitet seinen Fittich weit
Der schwarze Schwan, schwimmflugbereit.
Und ihre Arme hebt die Nacht ...
Das All ist dunkelüberdacht.
[233]
Nur noch das Schwanenfittichwehn,
Das Brüsteaufundniedergehn
Der stummen Riesin hört die Welt,
Die müdebang den Atem hält.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bierbaum, Otto Julius. Gedichte. Irrgarten der Liebe. Gedichte. Bilder und Traeume. Die Nacht. Die Nacht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-326A-A