Sonne

Nach langen Nebelwochen voll kaltem Schattengrau
Heute der erste Tag,
Da sich der Himmel hellt,
Die Sonne wieder scheint,
Das heilige Licht des Lebens.
[125]
Ich erkenne dich, gütige Gottheit,
Und meine Augen beten dich an
Mit hellen Blicken,
Im Lichte beten sie das warme Leben an
Und saugen seine gütigen, goldenen Strahlen
Mit Kindes Wollust ein,
Das an der Mutterbrust
Nahrung aus heiligem Leibe saugt.
Also trink ich mit strahlenden Augen den Gnadenstrom
Unerschöpflicher Werdenskräfte mit Lust,
Der von der Sonne, dem heiligen,
Liebeflammenden Leibe kommt.
Lebensglut-schürender Feuerwein sind die
Goldenen Strahlen der Sonne, und der begnadete,
Betende Trinker taumelt im Herzen begeisterten Tanz,
Ob auch sein Fuß bedächtig hin
Ueber der Erde rauhen Rücken geht,
Denn seine Seele ist auf der Sonne,
Denn seine Seele brennt in den Gluten
Lebenschenkender Güte.
In der seligsten Liebesbrunst brennt sie,
Tanzgewirbelt ein stäubender Funken
[126]
In dem riesigen Sonnenfeuer,
Sie, auch sie ein jauchzendes Flackerteilchen
Der großen Liebeslohe, die in die kreisende Dunkelheit
Ihre lebenanfachenden Fackeln reckt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bierbaum, Otto Julius. Gedichte. Irrgarten der Liebe. Gedichte. Landschaften und Stimmungen. Sonne. Sonne. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-34AE-4