63. Vom Ilsung.

Ilsung oder Ilsing, so auch in Meisterliedern Ilsan und vom Tacitus Ulysses genannt wird, ist König Laurins Sohn gewesen und hat das Regiment über die Deutschen, zur Zeit Gedernis, des Herzogs in Israel, geführt, wie beide, Aventinus und Stumpf, überein zeugen. Soll am Rhein und am Harz gewaltet haben. Tacitus gedenkt einer Feste Asciburgium, die er am Rhein soll gebaut haben und meinet, es sei dieser Ilsing der Griechische Ulysses gewesen.

Es kann wohl sein, daß er auch eine Zeit lang vor dem Harze bei Wernigerode, zu Ilsenburg seine Wohnung gehabt, welches hernach Anno 1001 in ein Mönchkloster ist verwandelt worden. Hier müssen wir abermal aus dem Heldenbuche, gleich als von fern, die Historien dieses Königs errathen; [310] denn im dritten Theile desselben von diesem Deutschen König Ilsan Meldung geschieht.

Und ist zu merken, daß dieser dritte Theil, der große Rosengarten genannt, ist eine zusammen getragene Fabel, das ist verblümete Historia, darinnen durch mancherlei Exempel beweiset wird, was Hochmuth und Verachtung anderer Leute für Schaden und Verderben mit sich bringe, auch was zeitliche Lust, Freude und gute Tage für ein Ende pflegen zu neh men, wenn man dabei stolz und hoffärtig wird.

Denn der Rosengarten zu Worms bedeutet ein jedes wohl angerichtetes, friedsames Reich oder Herrschaft, darinnen alle Genüge, Lust und was man nur wünschen mag, vollauf vorhanden. Gibich der König ist ein Vorbild allen denen, die solche Reiche oder Herrschaften inne haben und mit Frieden, wenn sie selbst wollten, wohl behalten könnten. Aber, wenn sie aus der Vernunft, welcher sie anhangen und ihre größte Lust an ihr, als ein Mann zu seinem Ehegemal tragen, die stolze Tochter Grimhild gezeugt haben, das ist, wenn sie sich beginnen, ihrer Weisheit, Macht und Gewalt zu überheben, grimmend, stolz und übermüthig zu werden und durch solches, doch unter einem gefärbten Scheine, als wie man männiglich hold und geneiget, seine eigene Ehre, Nutzen und Lust suchet,[311] so folget alsdann gemeiniglich der Unrath, davon das Heldenbuch meldet, daß man nur im Rosengarten sitzen, das ist, in allerlei Wollust leben will und denselben mit seidenen Faden anstatt der Mauern umzeucht, das ist, in der größten Sicherheit, vermessener Weise, sitzet, aller Welt trotzt und daneben mit zwölf Riesen, das ist, durch etliche Tyrannen, solches vorgenommene Wesen zu beschützen und auszuführen, auch allerlei Vorwitz dabei zu büßen gedenkt.

Darüber werden denn die Leute in einander gehetzet und lassen sich um Wollust und fleischlicher Liebe willen, etwan gute Gesellen, das Rädlein weidlich zu treiben, gebrauchen. Aber der Dietrich von Bern ist eine Figur aller hohen Obrigkeiten, die solchen Frevel und Muthwillen nicht leiden noch dulden. Diejenigen, so ihm zugethan sind, bedeuten alle Helden, so sich, den Uebermuth zu dämpfen, bei der hohen Obrigkeit willig finden und brauchen lassen, wie denn etliche im Heldenbuche erzählt werden, als hätten sie zugleich dem Dietrich von Bern im Rosengarten wider die Riesen und Wütriche Beistand geleistet, so sie doch nicht alle, die da genennt werden, zu einer Zeit gelebt haben, wird aber also an einem Ort beisammen, was derselben Könige, Fürsten und Helden, ein jeder zu seiner Zeit, da sie gelebt, wider die Menschenfeinde [312] und Leutefresser, die verwegenen Tyrannen, vorgenommen und ausgerichtet, poetischer Weise angezeigt.

Also wird des Orts auch unter den Recken, so da erzählet werden, der Ulysses oder Ilsan, von dem wir hier schreiben, mit genennet. Und ist derselbige, wie aus den Reimen abzunehmen, ein starker, freudsamer, unverzagter Herr gewesen, der anfänglich sein Wesen stille geführet, und nach der alten Deutschen Religion große Geistlichkeit und Liebe zu ihren Götzendiensten vorgegeben, sich auch gerne bei den Deutschen Druiden und Barden, sonderlich bei den Pfaffen, so der Isis gedient, zu Eisenburg finden lassen, daher er auch von den nachkommenden Meistersängern Münch Ilsan genannt worden.

Er hat einen muthwilligen Tyrannen am Rhein erlegt, der darum, daß er sich etwan in den Wildnissen und Gehölzen, am Harze und Schwarzwalde mit seinem Anhange gehalten und daraus listiglich geraubet und dann wieder sich darin verborgen hat, der Riese Staudenfuß oder Staudenfuchs genannt worden. Soll fast auch noch zwei und funfzig dergleichen trotzige Aufwiegler zu Gehorsam gebracht und deren zwölfe den andern zum Abscheu erwürgt haben, welches alles verblümter Weise im Heldenbuche und andern Gedichten und Meisterliedern [313] wird vorgetragen und lässet sich ansehen, daß die Pfaffen derselben Zeit dem Ilsan, als er wider gedachte Tyrannen verreiset, nichts Gutes geweissagt haben, darüber er auch hernach, als er wieder kommen, sich etwas unfreundlich wider sie erzeigt hat.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Büsching, Johann Gustav. Märchen und Sagen. Volkssagen, Märchen und Legenden. 7. Sagen und Mährchen vom Harz. 63. Vom Ilsung. 63. Vom Ilsung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-496A-D