Phidile

Ich war erst sechszehn Sommer alt,
Unschuldig und nichts weiter,
Und kannte nichts als unsern Wald,
Als Blumen, Gras, und Kräuter.
Da kam ein fremder Jüngling her;
Ich hatt ihn nicht verschrieben,
Und wußte nicht wohin noch her;
Der kam und sprach von Lieben.
Er hatte schönes langes Haar
Um seinen Nacken wehen;
Und einen Nacken, als das war,
Hab ich noch nie gesehen.
[33]
Sein Auge, himmelblau und klar!
Schien freundlich was zu flehen;
So blau und freundlich, als das war,
Hab ich noch keins gesehen.
Und sein Gesicht, wie Milch und Blut!
Ich hab's nie so gesehen;
Auch, was er sagte, war sehr gut,
Nur konnt ich's nicht verstehen.
Er ging mir allenthalben nach,
Und drückte mir die Hände,
Und sagte immer Oh und Ach,
Und küßte sie behende.
Ich sah ihn einmal freundlich an,
Und fragte, was er meinte;
Da fiel der junge schöne Mann
Mir um den Hals, und weinte.
Das hatte niemand noch getan;
Doch war's mir nicht zuwider,
Und meine beide Augen sahn
In meinen Busen nieder.
Ich sagt ihm nicht ein einzig Wort,
Als ob ich's übelnähme,
Kein einzigs, und – er flohe fort;
Wenn er doch wiederkäme!

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Claudius, Matthias. Gedichte und Prosa. Asmus omnia sua secum portans. Erster und zweiter Teil. Phidile. Phidile. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-53E8-2