Indessen eilt das Volck an Kindern, Männern, Frawen,
Sehr häuffig aus der Stad aus blosser Lust zu schawen.
Die Lust zu sehn ist gleich, das Hertz nicht einerley,
Den der verspricht die That, ein ander fällt ihr bey.
Die Mutter war da auch betrübt und voller Schmertzen,
Johannes ist mit Ihr, Sie weinet recht von Hertzen.
Sie, eine Jungfraw, dringt das Volck durch, ungeschewt,
Die Liebe zu dem Sohn zwingt beydes Scham und Leid.
Der Sohn, O Jammer, hangt schon an das Creutz erhöhet,
Da Ihm die Mutter recht zu seinen Füssen stehet.
Wie war dir, Jungfraw, da? ach hattest du auch Lust
Zu rauffen dein Gesicht, zu schlagen deine Brust?
Wie soltest du dich nicht da reissen bey den Haren?
Nicht heulen? oder gar erstarrt von hinnen fahren?
So weinen Mütter, die Tobiam, jene dort
Die Kinder, die erwürgt sind durch Herodes Mord.
Maria aber ist bemüht behertzt zu tragen
Das Leid, davon sie lang zuvor hat hören sagen.
Vnd ist der Sinn ihr gleich von tausend Schmertzen wund
Hat sie doch kurtz und still zu klagen so begunt:
Mein Kind, wie siehst du aus? wie gleichst du keiner wegen
Dir, als du mir so lieb bist auff dem Schos gelegen,
So bist du keinem noch gekommen zu Gesicht,
Die Mutter hält schier selbst dich für den ihren nicht.
Doch heist dein Dörnicht Häupt, die Hände so zerspalten,
Dein wund gepeitschter Leib dich für mein Kind mich halten.
Auch daß ich Mutter dich mein Kind kaum kennen kan,
Zeigt, daß du seyst der mein', auch gar zu mercklich an.
Die Farb ist noch allein von allen den Geberden,
Doch soltest du auch so noch deiner Mutter werden.
Ich kenne meinen Sohn, erkenn du mich dabey,
Was thu ich, daß ich nicht mehr deine Mutter sey?
Was grosse Mißgunst wil die Wunden meinen Zehren
Vnd meinem trewen Schoß den Leichnam nicht gewehren?
[382]Daß das Gesinde hat verübt Befehl und Pflicht,
Es thu was ärgers noch, dawider streit ich nicht,
Noch was dein Vater dir für Satzung je mag schreiben,
Nur laß mich, bitt' ich, trew und deine Mutter bleiben.
Sie hätte mehr geredt, der Schmertz hat sie geschweigt,
Der Schmertz der seufftzend weit noch über Worte steigt.
Der Herr läst kaum auff sie die krafftloss' Augen fallen,
Ihr Liebsten, spricht er: beyd', euch hab ich lieb für allen.
Liebt Eintracht, und seyd stets durch Hülff und trewen Raht
Du seine Mutter, er dein Sohn an meine stat.
Dies sagt er einig, mehr kunt' er für Durst nicht sprechen,
Aus Ohnmacht müssen Stimm' und Worte gantz gebrechen.
O Grausamkeit! wenn man dem, welcher jetzt verbleicht,
Nur kaltes Wasser hätt' in seinem Durst gereicht.
Wo Trew und Frömmigkeit im Tod auch Danck gewinnet,
So hör was jetzund Trew und Frömmigkeit beginnet.
Er flucht aus Rachgier nicht auff seiner Feinde Schar,
Er fleht, daß nicht sein Tod setz' jemand in Gefahr.
Dieß, Vater, spricht er: sey ja keinem zugeschrieben,
Vnwissenheit hat mehr als Boßheit sie getrieben.
Da halten sie ihm Gall an einem langen Rohr,
Als er nach trincken schreyt, gantz unbarmhertzig vor.
Wie Gott nur dessen Schmack ein wenig nur empfunden,
Nun, spricht er: ist mein Leid und alles überwunden.
Er spricht es, schreyet und (was brichst du mir das Wort,
O Schmertz, ich schweige schon, nur noch ein wenig, fort!)
Er spricht es, schreyt und muß (befall mich stracks mit Leiden,
Nur sag dies eine noch, mein sag es, Schmertz!) verscheiden.