Das Hohenzollernbuch 1

Dies Buch will wandern in die deutschen Häuser!
Ein Stück des deutschen Hausrats will es werden,
Doch nicht im Prunksaal stehn bei anderm Prunk, –
Nein, auf dem Tisch, darum allabendlich
[609]
Der Lampe Schein die Eltern und die Kinder
Versammelt nach vollbrachtem Tagewerk, –
Dort will es ruhn, vertraulich, handgerecht. –
Aufschlagen soll's der Vater hie und da
Und soll daraus den trotzgemuten Knaben,
Den blondgezöpften Mädchen kurz und schlicht
Berichten von den Freuden und den Leiden
Des Hauses Hohenzollern;
Wie sie, entsproßt dem Stamm der Alamannen,
Bei ihrem Flug vom Schwabenland zur See
Auf Nürnbergs Feste kurz den Fittich ruhten,
Bis immer weiter sie der Adlerschwung
Bis an das Bernsteinhaff nach Osten trug.
Und wie zuletzt, zurück zum Süden greifend,
Sie alle deutschen Stämme fest vereint,
Vereint im Glanz der kaiserlichen Krone,
Die ihnen dort auf Sedans Hügelrund
Der Gott des Siegs geschmiedet in der Schlacht! –
Doch nicht von Siegen und von Freuden nur,
Von böser Zeit auch meldet dieses Buch:
Ja, auch dem Schmerz gebühret sein Gedenktag.
Er mahnt uns erst, wie selbst verschuldet Unheil
Am schwersten drückt: jedoch er lehrt uns auch,
Wie aus dem Abgrund Mannesmut sich hebt
Am starken, treuen Eichenstab der Pflicht,
Er lehrt, wie Arbeit, unermüdbar zäh,
Aus jenem kargen, vielgeschmähten Nordland,
Dem Sand der Mark, den Sümpfen von Masuren
Dies Preußen schuf, dem als dem Schild des Friedens
Jetzt ganz Europa dankt. – Das tat die Zucht,
Das tat die harte Zucht der Hohenzollern,
Die strenge Zucht der Arbeit und der Pflicht:
[610]
Der Arbeit mit dem Pflug und mit dem Schwert,
Der Pflicht wie auf der Schulbank, auf dem Schlachtfeld:
Sie hielt in Preußen Fürst und Volk vereint
Und Glück wie Unglück teilten sie getreu.
Jedoch dies Buch ist nicht ein totes Buch,
Nicht abgeschlossen ist's und abgetan:
Es lebt! Es wird noch stets daran geschrieben,
So lang am Stamm des Kaiserhauses noch
Ein Reis nur grünt, nur Eine Wurzel treibt.
Allein nicht die Gelehrten setzen's fort!
In jedem Haus führ' es der Vater selbst:
Raum findet hier noch mancherlei Gedenktag! –
Und wie die Glocke Freud und Leid verkündet,
Den Sieg, den Brand, die Hochzeit und den Tod,
So soll dies Buch ein stummes Zeugnis geben
Von Lust und Leid im Haus der Hohenzollern
Und, so vererbt vom Vater auf den Sohn,
Soll's lehren von Geschlechte zu Geschlecht,
Wie Glück und Schmerz des Kaiserhauses eins
Mit Glück und Schmerz sind dieses deutschen Volks.

Fußnoten

1 »Hohenzollernsche Hauschronik.«

(Berlin, 1889.)

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Dahn, Felix. Gedichte. Vaterland. Das Hohenzollernbuch. Das Hohenzollernbuch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-6ACF-F