[67] Goldene Tränen

Aus der Asche gestürzter Jahre
Tränen, die einst unser Glück geweint.
Goldene Tränen ...

1
Weißt du noch damals?
Ein Wintertag.
Schnee gelb geborsten um Bautasteine.
Wir hoch auf Granit, wo die Winde horsten.
Uns huldigen Täler im Sonnenscheine.
Und draußen in Eis gespannt die See.
2
Nachtstille.
Sternenäste durchqueren
Weiß die blauenden Ätherauen.
Im West entfaltet grüngolden
Wie Duft von Lotosdolden,
Ein später Schein.
Schneereste in Schlacken
Begraut am Wege.
Nirgend ein Laut.
Sacht auf silbernen Spulen rinnen
Tausende Wasser von Felsenzinnen.
In schwarzen Zügen das Schattenland.
Aus grauen Hügeln lauschen die Trolle,
Tauschen Geflüster von Wand zu Wand.
[68] 3
Grünbebend ein Frühlingsmorgen.
Lichte wärmen den webenden Wald.
Weiß in Schwärmen die Anemone.
Und wir steigen Hand in Hand
Zu dem brüchigen Runenthrone
Unter jungen güldnen Eichen,
Wir, Könige in Veilchenreichen.
4
Mondrot der Maienabend.
Ließen das purpurne Licht uns kredenzen.
In scheuen Lauben buhlte das Dunkel.
Fern hat ein Waldhuhn lüstern gelacht.
Bleichsüße Essenzen von den Spiräen und Sorbustrauben.
Wir stürzten die schwere Schale der Nacht.
5
Lodernde Tage.
Heckenrosen und Apfelknospen
Flogen in rosigen Bogen
Über den Lagern von goldenen Moosen.
Weiße Convalien und Erdbeerblüten
Sprühten kühlende Düfte.
Tief aus heimlichen Schatten umschlang
Einer Amsel Silbergesang
Sonne bis spät zum Ermatten.
6
Mittagsstille.
Auf violetter Schwelle am Meeressaum
Gelbnackt die letzte einsame Schere.
Grell brennt der Schaum.
Blank klimmen Welle auf Welle.
[69]
In eiserner Öde zieht das Meer
Blaue glühende Kreise,
In eiserner Öde zischen die Wasser
Streng ihre endlose Weise.
Möwe und Eider in blassem Gestöber
Wehrufen, klagen,
Tragen die Angst bleich in den goldenen Raum.
7
Abenddämmerung.
Wühlend eine silberne Wüste die See.
Grünklaffend gewölbt Kluft an Kluft.
Gelbmatt im Duft ein fernes Riff.
Schwarze Seehundköpfe glotzen,
Schwinden mit blitzendem Pfiff.
Inselberge wie Höhlenschlunde
Gähnen dunkel zum Rosenhimmel.
Schweigend mit goldenen Abendwinden
Schneidet ein Segel die blanke Straße.
Nach ihm eine dunkle Wunde.
8
Heiß flossen von Klippen purpurträchtig
In roten Strömen die Heidesprossen.
Schmächtig in Trieben der Espenhain.
Grün die Mitternachtsonne. Die Sterne sprangen.
Grau kroch der Tau über Wiese und Rain,
Grau im Rauch die Heide gefangen.
Alles zergangen. –

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TextGrid Repository (2012). Dauthendey, Max. Gedichte. Ultra Violett. Einsame Poesien. Goldene Tränen. Goldene Tränen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-7120-B