[61] Theresia die Fürstinn

Ehrentrich der Barde.


Neiget euch nieder aus luftigen Hallen,
Herrscher der Vorzeit im Schmucke Walhallas!
Väter von Habsburg! neiget euch her!
Ehrentrichs Harfenspiel tönet
Eurer gewaltigen Tochter;
Gebet seinem Gesange das Ohr!
Ja, schon umschauert mich Ankunft von oben!
Ja, schon erblicket euch furchtbar und lieblich,
Hohe Gestalten! Ehrentrichs Aug'.
Eben so sieht euch, o Väter!
Eure gewaltige Tochter,
Wenn in Osten der Morgen ergraut;
Sieht euch, erhebt sich vom Lager der Fürsten,
Feindinn der trägen und weichlichen Ruhe,
Rufet der Fürsten Sorgen herbei,
Voll des Gesichtes im Auge,
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Voll des Entschlusses im Herzen,
Ganz zum Glücke der Völker zu seyn.
Groß ist Theresiens Erbtheil. Ihr Machtwort
Schallet durch hundert und hundert Gebirge,
Rauschet auf tausend Bächen dahin.
Stämme von allen vier Winden
Horchen gebeuget entgegen,
Ehren schweigend der Fürstinn Gebot.
Flächenbewohner verschiedener Himmel
Pflegen Ihr unübersehliche Saaten,
Ziehen die Frucht des Lebens Ihr reif.
Unter verschiedenen Sonnen
Pressen Ihr Hügelbewohner
Aus den Trauben den Wecker des Muths.
Kinder der Berge verfolgen Ihr Gemsen,
Steigen Ihr nieder in Nächte der Erde,
Holen aus Klüften köstliches Erz.
Schiffe der Söhne der Ufer
Schütten die Schätze der Fremden
Vor die Füße der Herrscherinn hin.
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Städte die Menge voll Menschen und Künste,
Thürmende Städte mit trotzigen Mauern,
Schmücken Ihr weites herrliches Reich.
Fürsten und Helden umstehen
Ihren erhabenen Erbstuhl
Dienstbar, jeglichem Winke getreu.
So wie des Himmels belebendes Auge
Morgenher Flächen und Hügel und Berge,
Ufer und Städte wandelnd beschaut:
Flächen und Hügel und Berge,
Ufer und Städte! so blicken
Früh der Fürstinn Gedanken auf euch.
Groß ist die Seele Theresiens. Er nur,
Der Sie bestimmte zum Herrschen, ist größer.
Alles umfaßt Ihr kreisender Geist.
Also von Fluthen umwallet,
Mitten im Schooße der Meere
Ragt ein fruchtbares Eiland empor.
Dreißigmal haben die Kinder des Liedes
Scheitel und Harfen im Monde der Blüthen
Wieder mit Eichenjugend umlaubt;
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Seit Ihr das Gold der Gebieter
Auf der erhabenen Scheitel,
In der mächtigen Rechten Ihr strahlt.
Völker verschiedener Himmel und Zungen,
Die ihr Theresien dienet! o saget:
Hat es euch je der Fürstinn gereut?
Völker! Walhalla steht offen,
Und es vernimmt euch Allvater,
Jener, der euch Theresien gab.
Wie die gewaltige Wasserwelt aufbraust,
Wenn sie der Geist der Gewitter verstöret,
Hebt sich von allen Winden der Ruf:
»Dank dir, o Völkerbegnader,
Der du Theresien sandtest!
Laß, Allvater! die Fürstinn noch uns!«
Völker! wie billig! Ich lieb' euch. Ihr fühlet,
Was ihr besitzet. Der edelste Stolz hebt
Ueber den Nachbar, Völker! euch auf.
Singet in Ehrentrichs Harfe,
Daß es der Nachbar vernehme,
Singet, Völker! den edelsten Stolz!
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Schauerndes Dunkel, von Waffen durchblitzet,
Hüllet uns niemal Theresien's Erbstuhl!
Hell, wie der Himmel, steht er vor uns.
Nur die verfinsterte Seele,
Tochter der Bosheit und Ränke,
Die nur strebet vergebens hinzu.
Aber der Zögling der Wahrheit und Tugend,
Aber der Thäter der redlichen Thaten
Steiget voll Muth's die Stufen hinan,
Wär' er auch niedrig im Volke,
Einer der Pflüger und Hirten,
Steigt und kehret zurücke voll Lust.
Denn die Gerechtigkeit harret zur Rechten,
Und zu der Linken der Fürstinn die Milde.
Jedem erreichbar horchet Ihr Ohr.
Tage verfließen im Hören.
Niemal ermüdet Ihr Eifer!
Denn Sie lebet, und denket nur uns.
Männer des Rathes erkohr Sie. Die sitzen,
Rathen und richten in wimmelnden Hallen,
Bis sich der Tag im Westen entzeucht;
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Aber die Räthe der Männer,
Und die Gerichte der Männer
Prüft und richtet Theresien's Aug'.
Unter dem friedlichen Dache der Bäume,
Die uns beschatten, mit Früchten uns laben,
Leben wir sicher, sorgenlos hin;
Strecken nach täglicher Arbeit
Ruhigem Schlafe die Glieder,
Weil der Herrscherinn Fittig uns deckt.
Senken sich unsere Väter in Nächten
Nieder vom Silbergewalle des Mondes,
Voll des Erstaunens haftet ihr Blick:
»Waren hier unsere Sitze?
Gibt es ein zweites Walhalla?«
Sprechen's, blicken und fassen sich kaum.
Denn mit Theresien's Herrschaft ergoß sich
Leben auf Aecker und Heerden und Handel,
Leben auf jede nützliche Kunst;
So wie die welkenden Spitzen
Trunken von himmlischen Wassern
Flur, und Buschwald und Eichenhain hebt.
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Weise Gesetze beglücken von innen.
Weise Gesetze gebot Sie. Von aussen
Stärket der Fremden Freundschaft ein Reich,
Ufer des Rheines herüber
Zielet schon lange kein fremdes
Einfalldräuendes Eisen auf uns,
Euere Tochter, o Väter von Habsburg!
Sie war erkiesen ein Feuer zu dämpfen,
Welches um sich Jahrhunderte fraß.
Blicket hernieder! Die Spuren
Länderentstellender Zwiste
Hat nun Eintracht in Blumen versteckt.
Einem der Männer des Rathes (Er steht nun
Immer am Ohre der Fürstinn der erste) 1
Gab Sie von Ihrem Geiste. Der ging,
Knüpfte mit Galliens Herrscher
Niemal erwartete Bande,
That's, und ward uns unsterblich dadurch.
Also begleit' ich Theresiens Herrschaft
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Mit dem Gesange zu kommenden Altern.
Enkel! erlernet meinen Gesang!
Lehret ihn euere Kinder,
Daß sie mich nennen und sagen:
»Heil ihm, weil er Theresien sah!«
Aber ihr, hohe Behorcher des Greisen!
Sang er von eurer Erzeugten nur Wahrheit,
Väter von Habsburg, lächelt auf ihn!
Väter! ihr lächelt und kehret
Wieder zu luftigen Hallen,
Wo euch bessere Barden erfreu'n.

Fußnoten

1 Kaunitz, der erste Minister seiner Zeit.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Denis, Michael. Gedichte. Gedichte. Theresia die Fürstinn. Theresia die Fürstinn. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-7DFE-0