[289] Auf Josephs Krönung 1

O Geist der Lieder! der du der Herrscher Lob
Der Herrscher, welche Bilder der Gottheit sind,
Auf hellem Mondgewölke schwebend
Weit in die Zukunft hinüber singest,
Fahr' auf zur Harfe! bereite den hohen Schwung
Den unerreichten über die Schöpfung hin:
Er ist gekrönet! sing zur Veste,
Sing zu den Inseln: Er ist gekrönet!
Wie wenn der Adler, den ein gelinder Lenz
Am höchsten Felsen königlich auferzog,
Jetzt um das Nest die Flügel übet,
Sonnenan jetzo sich herrlich aufhebt –
Der Lüfte Barden strömen ihm Grüße nach,
Und Berg und Hügel hallet Bewunderung.
[290]
Ein ächter Sohn des großen Vaters
Heißt er in folgenden Lobgesängen,
Nach ihm der Herrschaft über die mächtigen
Bewohnerreichen Himmelsgebiete werth.
Der Vater hört es, und die Mutter;
Beide durchschleicht ein geheim' Vergnügen:
So rief dir Deutschland, blühender Joseph! zu,
Als im Gewimmel fröhlicher Tausende
Dein Haupt sich hin zur Krone neigte,
Daß vom gedrungenen, vollen Jauchzen
Die Thürme Frankfurts freudig erbebeten,
Der blaue Main es, Ufer hinab, dem Rhein,
Dem schilfbekränzten Bruder, zutrug,
Dieser den horchenden Wasserwelten.
Es sah mit Augen, welch ein Geschenk er sey
Der Sohn, der einst, vom Himmel herabgefleht,
In Franzen's und Theresen's Augen
Winkenden Kronen entgegenreifet,
Voll seiner Ahnen, seiner Bestimmung voll,
[291]
Getreu den Mustern, eilend, wie sie, zu seyn
Der Erde Lust, der Gottheit Spiegel,
Schöpfer des Glückes von Teut's Geschlechtern;
Der untergeb'nen Vater, des Lasters Feind,
Auch, wenn's in Thürmen wohnet, aus Golde trinkt,
Der Tugend Freund, auch, wenn sie pflüget,
Schützer und Lied der geschützten Barden.
So gleicht die Frucht dem Stamme. So strömt die Kraft
Erhab'ner Zeuger in den Erzeugten aus.
Von Eichen sprossen eitel Eichen,
Tauben entfliegen nicht Adlernesten.
Wie vielen Kämpfen Oesterreichs Heldenhaus
Für dich sich ausbot, Vaterland! weiß der Belt,
Erzählt der Rhein noch, rühmt die Donau,
Wo sie die Fülle vereinter Wasser
Durch weite Fluren wälzet, in welchen oft
(Sie denkts, und schauert) Morgenland blutete,
Daß ihrer Fluth geröthet' Silber
Waffen und Leichen erschrocken hintrieb.
[292]
Dann sank dem Mondenträger der Stolz. Er sprach:
Ein Waghals nimmt es künftig mit jenen auf,
Vor derer Blitze sich zu retten
Jeglicher herrlichen Beute gleich ist.
Wie wider Lasten muthig die Palme strebt,
Und, mehr gedrücket, mehr sich entgegenwölbt, 2
Durch Ungemache selbst genähret
Steigt so die Zierde der Deutschen Herrscher
Nach Finsternissen jedesmal glänzender,
Nach Niederlagen stärker, ergreift ihr Arm
Den Ueberwinder. Länder beben,
Wenn er im schrecklichen Taumel hinfällt.
Jetzt send' ich nicht mehr jauchzende Boten dir,
Beklemmte Stambul deinen Eroberungen
Hat Oesterreich ein Ziel gesetzet,
Unüberfliegbar der Hoffnung selber.
[293]
Nun wird in Zukunft alles ihm möglich seyn.
Des Himmels wacher Fittig umschattet es;
Ihm fröhnt die Klugheit, seinen Fahnen
Hat sich die Tapferkeit angelobet.

Fußnoten

1 Zu Frankfurt den 3ten April 1764.

2 So schreibt wenigstens Aristoteles, Plinius, Plutarch, Strabo u.a. Man erinnere sich, daß hier ein Türke redet, dem dieses Holz einheimisch ist.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Denis, Michael. Gedichte. Gedichte. Auf Josephs Krönung. Auf Josephs Krönung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-7EA4-C