1. Captain Trelawney
»Exilium vita est.«
Ein Kind, des Geistes Schwingen kaum entfaltend,
Las ich von Thaten, kühnen, wunderbaren,
Von Abenteuern, märchenhaft gestaltend
Das Leben eines Dichters und Korsaren.
Dein Buch, Trelawney, war's, das thränennasse,
Wie du's aus Indiens Meeren heimgetragen,
Um es in tiefem und gerechtem Hasse
Eitlen Pygmäen ins Gesicht zu schlagen.
Kamst du auch wieder mit gesenkter Lanze,
Sie standen da, bezwungen und geblendet
Von deiner Kriegstrophäen Zauberglanze,
Die sich von dir, dem Jüngling, abgewendet,
Und wußten nicht, wie tapfer du gestritten,
Verfolgt von niemals rastenden Gedanken,
Und daß du tausendfachen Tod erlitten
In deiner eignen Brust, der liebeskranken.
Ein junger Greis, von deiner Väter Scholle,
An Hoffnung arm, reich an Erinnerungen,
[3]Griffst du hinein ins Herz, das übervolle,
Und hast der Freiheit Hohelied gesungen.
Gewalt'ger Mann! Mein Held und mein Erretter!
Was du geliebt, verloren und gefeiert,
Das drang zu mir heran wie Frühlingswetter,
Wie Sonnenschein, von Pulverdampf umschleiert.
O Kriegsfanfaren! Ruf aus fernen Zonen!
O kühnes Träumen, knabenhaftes Sinnen!
War ich bestimmt, im Donner der Kanonen
Wie du, Trelawney, Lorbeern zu gewinnen?
Nein! Doch in meiner Jugend Phantasien,
Aus Wunden blutend, die ich heiß erflehte,
Lag ich vor jenem Banner auf den Knien,
Das einst von sturmgepeitschten Masten wehte.
Wohl! Was ich suchte: Stürme, Abenteuer,
Das hat das Schicksal reichlich mir gespendet;
Nun steh' ich müde am zerbrochnen Steuer,
Und noch ist meine Reise nicht vollendet.
Doch sieh! Mein Schwert blieb müßig in der Scheide,
Kein Feind bedrohte mich mit blanken Waffen,
Ich kämpfte nur mit meinem innern Leide
Und mit Phantomen, die ich selbst erschaffen.
So ward ich überholt von kühnern Schiffern;
Sie fuhren rasch vorbei zum sichern Ziele,
[4]Wenn ich im Traume rang mit goldnen Ziffern,
Verstrickt in meines Herzens Trauerspiele.
Ach, bald verzagt auf sinkender Galeere
Und bald berauscht von himmlischen Accorden,
So trieb ich hin und her auf hohem Meere
Und bin kein Dichter, kein Korsar geworden.
Was liegt daran? Ich muß, wie tausend andre,
Mein Brot erringen in des Sommers Schwüle,
Nur daß ich rastlos strebe, rastlos wandre,
Nur daß ich alle Schmerzen doppelt fühle.
Nur daß der Heros meiner jungen Tage
Der Bahn des Pilgers keinen Grenzstein setzte,
Wenn auch der Panzer, den ich willig trage,
Mir oft die Brust mit blut'gem Schweiße netzte.
Rauh ist der Lebenspfad, den ich betreten;
Als freier Mann ein Sklave heil'ger Pflichten,
Kann ich die wilde Sehnsucht des Poeten
In Schranken halten, aber nie vernichten.
Ein Buch, Trelawney, fiel aus deinen Händen,
1Ich les' es noch mit Stolz und mit Entzücken;
Ich bin nicht du – doch wenn wir je uns fänden,
Du würdest mir bewegt die Hände drücken.
(1856.)