Sommerschwüle

1.

Ich klimm zum Berg und schau zur niedern Erde,
Ich klimm hinab und schau die Berge an,
Süß-melancholisch spitzt sich die Gebärde
Und gift'ge Weltverachtung ficht mich an;
Doch will aus Schmerz und Haß nichts Rechtes werden.
Ermanne dich! – Ich bin doch wohl ein Mann? –
Und ach! wie träge Silb aus Silbe schleichet,
Mit Not hab ich den letzten Reim erreichet.
O weg mit Reim und Leierklang und Singen!
Faß, Leben, wieder mich lebendig an!
Mit deiner Woge will ich freudig ringen,
Die tief mich stürzt, hebt mich auch himmelan.
Im Sturme spannt der Adler seine Schwingen –
Blas zu! da spür ich wieder, daß ich Mann!
Viel lieber will ich raschen Tod erwerben,
Als, so verschmachtend, lebenslang zu sterben.
[121]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Eichendorff, Joseph von. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1841). 2. Sängerleben. Sommerschwüle. 1. [Ich klimm zum Berg und schau zur niedern Erde]. 1. [Ich klimm zum Berg und schau zur niedern Erde]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9831-2