Leid und Lust

Euch Wolken beneid ich
In blauer Luft,
Wie schwingt ihr euch freudig
Über Berg und Kluft!
Mein Liebchen wohl seht ihr
Im Garten gehn,
Am Springbrunnen steht sie
So morgenschön.
Und wäscht an der Quelle
Ihr goldenes Haar,
Die Äugelein helle,
Und blickt so klar.
[221]
Und Busen und Wangen
Dürft ihr da sehn. –
Ich brenn vor Verlangen,
Und muß hier stehn!
Euch Wolken bedaur ich
Bei stiller Nacht;
Die Erde bebt schaurig,
Der Mond erwacht:
Da führt mich ein Bübchen
Mit Flügelein fein,
Durchs Dunkel zum Liebchen,
Sie läßt mich ein.
Wohl schaut ihr die Sterne
Weit, ohne Zahl,
Doch bleiben sie ferne
Euch allzumal.
Mir leuchten zwei Sterne
Mit süßem Strahl,
Die küß ich so gerne
Vieltausendmal.
Euch grüßt mit Gefunkel
Der Wasserfall,
Und tief aus dem Dunkel
Die Nachtigall.
Doch süßer es grüßet
Als Wellentanz,
Wenn Liebchen hold flüstert:
»Dein bin ich ganz.«
So segelt denn traurig
In öder Pracht!
Euch Wolken bedaur ich
Bei süßer Nacht.
[222]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Eichendorff, Joseph von. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1841). 4. Frühling und Liebe. Leid und Lust. Leid und Lust. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-9C7D-5