[5] Die Equipage

Ein Spielball seiner scheugewordenen Pferde,
Der Vollblutfüchse, die wie furchtgepeitscht
Durch Staub und Funken in den heißen Tag
Den eierschalenleichten Wagen reißen,
Rast über den Weg ein vornehmes Gefährt,
Lautlos, auf Gummirädern. Rechts und links,
Hier, dort, an jedem Stein droht ihm Zerschellen.
Entsetzt ist der Lakai hinabgesprungen.
Zurückgesunken liegt, vom Schreck gelähmt,
Der Ohnmacht nah, im grünen Plüsch des Fonds
Die alte Excellenz. Im Knopfloch prangt
Des mäusegrauen Überrocks kokett
Die herrlichste, tiefdunkelrote Rose.
Das feine schmale Diplomatenantlitz,
Bartlos und voller Falten, tausend Runzeln,
Gleich einer Walnuss, deckt aschfahle Blässe.
Weit aufgerissen heften sich die Augen,
Die wasserhellen, klugen alten Augen,
Als sähen ein Gespenst sie, auf den Kutscher.
Schlaff hängt, wie tot schon, über den Rand des Schlages
Die Rechte mit den angstgespreizten Fingern.
Dem Greis zur Linken beugt zum Sprung sich vor
Ein Mädchen, ein sehr junges, schlankes Ding,
Soeben flügge erst, ganz weißgekleidet,
Mit brennend rotem Haar, dess schwere Flechten,
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Zwei breite Flammen, nach den Hüften züngeln,
Und alles Blut hat aus den weichen Wangen
Die Todesangst ins Herz zurückgejagt.
Den kleinsten Fuß im spitzen Atlasschuh
Schon auf den Kissen vor sich, mit der Faust,
Die pfirsichfarbener Handschuh überstrafft,
Des Bockes Eisenstange fest umkrampfend,
Stiert wie gebannt auch sie mit starren Augen,
Mit süßen Kinderaugen, die das Graun
Vergrößert hat, auf Fritz. Mein Gott! Fritz! Fritz!
Der dreht den Hals und nickt ihr hämisch zu,
Ein grausig Beingesicht ohn' Fleisch und Blut:
Fritz blieb zu Haus, Comtesse, heut fahre ich.
Der Seidenpinscher mit dem Fell wie Schnee,
Der auf dem Vordersitz bequem sich's macht,
Hebt ganz verwundert seine klugen Augen.
Höchst unklar ist noch immer ihm der Vorgang,
Und fragend blickt er bald auf Fritz, bald auf
Die junge Herrin. Aus dem Zahngehäge,
Dem scharfen, hächelt Fifis rosig Zünglein,
Und an dem himmelblauen Halsband zittert
Ein Silberglöckchen, dessen Kling und Ping
Im Donnerlaut des Hufschlags untergeht.
Breitbeinig steht der Tod, weitvorgebeugt,
Ein Muschellenker, der sein Wettgespann
Um Kranz und Gloria durch die Rennbahn kreist.
In harter Knochenfaust die schlaffen Zügel,
Und mit der andern weit ausholenden Schwungs
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Der Peitsche schlangenschmeidige Geißelschnur
Den bangen Tieren um die Ohren klatschend,
Scheint er ganz Lust, im hellen, harten Blick
Des kränzesicheren Sieges Übermut,
Und um den Mund, daraus die feste Mauer
Des prächtigsten Gebisses blitzt und lacht,
Ein schlächterhaft brutales, breites Grinsen.
Der Glanzhut mit der farbigen Rosette,
Der mählich in den Nacken ihm gerutscht ist,
Zeigt halb des Schädels blanke Billardkugel,
Und um die dürren Glieder schlampt und schlottert
Die kaffeebraune, goldenknöpfige
Livree dem Schrecklichen, der gut gelaunt
Zu irgend einem seiner Feste sich
Die Gäste in der Equipage holt.
Die wilde Jagd verschlingt ein Tannenwäldchen.
In Staub und Glut der Straße aber liegt
Hellschimmernd eine weiße Rosenknospe,
Erschlossen kaum, feuchtwarm der zarte Stengel,
Als hätt' noch eben eine heiße Hand
Die todgeweihte lebensfroh umfasst.
Der laue Mittagswind streicht drüber hin,
Ein scharlachfarbner eiliger Schmetterling,
Sich überhastend, gaukelt leicht vorüber,
Kehrt wieder, ruht wie müde eine Weile
Matt flügelnd auf dem Blütenbett sich aus,
Und nimmt den Weg ins übersonnte Feld
Schnittreifen Hafers, das der Friede küsst
Und wolkenlose Bläue überdacht.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Falke, Gustav. Gedichte. Mynheer der Tod. Mynheer der Tod. Die Equipage. Die Equipage. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A483-7