Die Bodenkammer

Das war auf unsrer Bodenkammer,
Wo schräg das Dach darüber lief.
Ach, was verschloß die rostige Klammer
Der schweren Tür! Von keinem Brief
Wurd je ein Siegel weggebrochen
Mit so erhöhtem Herzenspochen,
Als wir zum Paradies dort oben
Die schwere Luke keuchend hoben.
Da gab es einen Tannenbaum,
Vom letzten Fest noch aufgehoben,
Der fuhr als Schlitten durch den Raum,
Daß Staub und trockne Nadeln stoben.
Da gab es eine Wäschemangel,
Die rollend an zu kreischen fing,
Wie noch in keiner rostigen Angel
Je eine alte Türe ging.
Da gab es eine leere Kiste,
Ganz wie gemacht zum Höhlenhaus,
Ein morsches Ding, ein Wurmgeniste,
Und Spinnen tapeziertens aus.
Doch Kindersinn hat Zauberkraft
Mehr als die Lampe Aladins,
Ein Wunsch – da baut sich Schaft an Schaft
Das schönste Schloß, Fürsten beziehns.
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Dann war da eine alte Wanne,
Die, leck, schon längst kein Wasser sah,
Und eine alte Gärtnerkanne,
Durchlocht und ganz zerbeult, war da.
Das war ein Trommeln und Trompeten!
Herr Hauptmann und Herr General!
Das ganze Bataillon antreten!
Zu Pferde stieg der Feldmarschall.
Und ja das Pferd! Kein Blücher drückte
Ein bessres unterm Siegeslaub.
Dort floß der Rhein, der überbrückte,
Dort der Kartoffelsack war Kaub.
Der alte brave Schaukelschecke
Fiel vom Galopp in pleine carrière
Und mitten in der Feinde Heer,
Kam er dabei auch nicht vom Flecke.
Ach Gott, was schlossen diese Wände
Nicht alles ein, die ganze Welt,
Von einem bis zum andern Ende,
War zwischen ihnen aufgestellt.
Im schiefen Dach das kleine Fenster
Warf Licht in ein unendlich Land,
Wo Räuber, Könige und Gespenster
Das Kind in jedem Winkel fand.
O könnt ich einmal noch im Leben
Die knarrenden Stufen da hinan,
Die alte schwere Luke heben
Und in der Bodenkammer dann
Noch einmal auf dem Schaukelpferde
Napoleon in Ägypten sein
Und mit tyrannischer Geberde
Die Welt in Grund und Boden schrein.
Aus manchem Sattel mußt ich gleiten,
Drin ich ein Feldherr mich geglaubt,
Und mußte still zu Fuß dann schreiten,
Ein Wandrer, den der Weg bestaubt.
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O Rößlein meiner Knabenspiele,
Du trugst mich schlank an alle Ziele,
Die mein Papierhelm vor sich sah –
Ein Gertenschlag: Viktoria!

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TextGrid Repository (2012). Falke, Gustav. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Die Bodenkammer. Die Bodenkammer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-A690-A