Schleswigs Ostertag 1848

Ich denke deiner, Ostertag:
Ein Nebel über Schleswig lag,
Über Schleswig-Stadt, über Schleswig-Land –
Der Däne hielt uns wieder in Hand,
Er hielt Schloß Gottorp, er hielt die Schlei,
Unser kurzer Traum war wieder vorbei;
Ein Nebel über Schleswig lag,
Achtundvierzig, am Ostertag.
Und über die Stadt und über den Strom
Die Glocken riefen in den Dom,
Und ehe das erste Lied erscholl,
Von Betern war die Kirche voll,
Betende Männer, betende Fraun,
In schwarzem Festkleid alle zu schaun,
Dazwischen aber (bittre Not)
Leuchtende Punkte von Dänisch-Rot.
Und bis an die Kanzel traten wir hin,
Zwischen Hoffen und Bangen ging unser Sinn,
Von Auferstehung der Geistliche sprach,
Wir hingen seinen Worten nach,
Seinem Wort von dem abgewälzten Stein,
Wir mischten viel Weltliches mit ein,
Wenn's Sünde war, es war nicht gewollt –
Horch, es donnert! Wie dumpf es rollt.
Ein Ostergewitter? Es kann nicht sein,
Durch die hohen Fenster fällt Sonnenschein,
Er fällt, wie suchend, gedämpft und mild
Auf das eichengeschnitzte Altarbild,
Auf die zwanzigfeldrige breite Wand
Von Meister Brüggemanns eigener Hand,
Der Felder eines schwimmt wie in Gold –
Horch, zum zweiten, es donnert, es rollt.
[226]
Es rollt wie näher, die Fenster klirrn,
Aller Blicke hinüber, herüber irrn,
Es fragen die Augen bei Freund und Feind,
Ein Flüstern geht leise: »Was ist gemeint?«
Und ehe noch flüsternd die Antwort geht,
Vom Eingang her ein Zugwind weht,
Weit offen die Tür; was gibt's, was ist?
In das Mittelschiff tritt ein dän'scher Hornist,
Und in die Kirche hinein, vom Portal,
Bläst er Genralmarsch, Signal auf Signal.
Ein Rasseln, ein Lärmen. Still wieder das Haus,
Die roten Punkte loschen aus,
Was deutsch in Schleswig wollte sein,
War wieder in Schleswigs Dom allein.
Und wie Hilfe suchend und Trost und Ruh,
Den Stufen des Altars drängten wir zu,
Dicht zu; der Geistliche aber spricht:
»Herr, Du bist unsre Zuversicht!
Da ist kein Jäger, der uns schreckt,
Solange uns Dein Fittich deckt,
Ob tausend fallen an unsrer Seit',
Du bist unser Schirm in jedem Streit,
Du stellst Deinen Engel an unsre Tür,
Uns zu behüten für und für,
Wir rufen Deinen Namen an,
Hilf uns, wie Du so oft getan,
Zersplittre unsrer Feinde Spott,
Du bist unsre Burg, Du bist unser Gott,
Blende die Wächter, wälz' ab den Stein« –
Er schwieg. Wie Trommeln klang es herein,
Lustiger preußischer Trommelschlag,
Heller Mittag über Schleswig lag,
Heller Mittag über Schloß und Schlei, –
Ostern war, und das Land war frei.
[227]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Fontane, Theodor. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1898). Bilder und Balladen. Deutsches. Märkisch-Preußisches. Schleswigs Ostertag 1848. Schleswigs Ostertag 1848. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-AE32-9