[16] Der Hof
Im Schatten schweigend liegt der Hof mit seinen hohen taubenüberflogenen Giebeln und rings ums Haus hin laufender Veranda, in alter knorriger Eiche treuer Hut ...
vor wenig Stunden noch im Sonnenschein und nun in matter Dämmerung ...
Die Sonne bog gegen Mittag um den waldigen Berg und mit ihr flog der Schmetterling jenseit des Bachs, der durch die Wiese schlängelt, die zwischen Hoftor sich und Kirchhof breitet, und mit dem Schmetterling der lustige Fink, der in dem Apfelbaum sein Lied getrillert.
Und so von Stund zu Stunde rückt sie weiter und ebenso unmerklich leise, aber unaufhaltsam wird auch der Schatten immer breiter vor dem Hof ...
[17] wie die Erinnerung an Jugendtage, an erster Liebe morgenleuchtend Glück, von Jahr zu Jahr unmerklich ferner wird und breit und immer breiter auch der Schatten, der uns von dem, was war einst, scheidet ... denn wenn die erste Jugend einmal schwand, bleibt alles doch ein Wandeln nur im Schatten und alle Lust mischt sich mit Sehnsucht nach der Morgensonne, die so früh schon ging und unaufhaltsam ferner rückt und ferner ...
schied mit ihr doch der sorglos heitere Sinn, der traulichen Spiels um Blüt und Blumen gaukelt, die frohe Zuversicht, die Ernst und Leid in Klang und Lied sich löst.
Ich steh am Tor und sehe der Sonne nach ...
Daß ich sie halten könnte! halten! einen Tag nur, eine Stunde! ...
Doch umsonst:
ein kurzes Weilchen noch und auch die Wiese liegt schon im Schatten, schweigend wie der Hof,
[18] und nachzuwandern? ... ach, es nützte nicht! ... ich holte ihren goldenen Schimmer doch erst an der Mauer ein, mit der der Kirchhof drüben auf dem Hügel ragt, und träfe sie nur zwischen Gräbern und Zypressen ... von Schmetterlingen und von Schwalben überschwirrt.
Im Schatten schweigend liegt der Hof ...
noch einmal blitzen hellauf seine Fenster ... im Wiederglanz der Totenkreuze drüben, auf die die Sonne fällt ...
wenig Sekunden ... und auch er verglimmt ...
und es ist Abend ... und wird Nacht!