3.

Noch ruhn die Höhn vom Duft umwoben,
Und neblig dampft es überm Feld;
Doch Sonnenahnung dämmert droben
Am Himmelszelt.
Dem zweifelhaften Tag entgegen
Reis' ich ins stille Land hinein
Und grüße dich zum Morgensegen
Und denke dein.
Wohl schied die Welt uns streng aufs neue,
Doch mutig blieb mein Herz und fest;
Ich weiß, daß nimmer deine Treue
Vom Freunde läßt.
Denn nicht ein blind Gefühl der Stunde,
Kein Zauber flücht'ger Sinnenglut,
Uns bindet, was im tiefsten Grunde
Der Seelen ruht.
Mag drum in Sehnsucht und Beschwerde
Noch manch verwaister Tag vergehn,
Mir sagt mein Genius: Ich werde
Dich wiedersehn.
[273]
Und all mein Leid wird von mir fallen,
Wenn mich dein Arm umschlungen hält,
Wie dort am Berg in Windeswallen
Der Nebel fällt.
Er fällt mit Hast, mich grüßt azuren
Der Himmel, wie dein Auge ganz,
Und in mein Herz und auf die Fluren
Strömt Sonnenglanz.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Geibel, Emanuel. Gedichte. Spätherbstblätter. Vermischte Gedichte. Aus verschollenen Tagen. 3. [Noch ruhn die Höhn vom Duft umwoben]. 3. [Noch ruhn die Höhn vom Duft umwoben]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-BCF4-8