30.

Wie lang ist's doch, daß ich nicht sang?
Wohl Monden sind dahingegangen -
Ein langer Winter trüb und bang
Hielt mir zuletzt den Sinn befangen.
Er brachte mir des Bittern viel;
Es waren da viel falsche Zungen,
Die trieben gar ein schlimmes Spiel,
So daß mir fast das Herz zersprungen.
Zu fremder Torheit eigne Schuld
Versehrte mich mit gift'gen Pfeilen -
Doch nun Geduld, o Herz, Geduld!
Der Frühling kommt, er wird dich heilen.
Die ersten Knospen werden wach,
Der Bach entrauscht in schnellen Wogen;
Mein dumpfes Grämen rauscht ihm nach -
Frisch auf, und in die Welt gezogen!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Geibel, Emanuel. Gedichte. Jugendgedichte. Erstes Buch. Lieder als Intermezzo. 30. [Wie lang ist's doch, daß ich nicht sang]. 30. [Wie lang ist's doch, daß ich nicht sang]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-BF0E-9