Mittagszauber

Im Garten wandelt hohe Mittagszeit,
Der Rasen glänzt, die Wipfel schatten breit;
Von oben sieht, getaucht in Sonnenschein
Und leuchtend Blau, der alte Dom herein.
Am Birnbaum sitzt mein Töchterchen im Gras;
Die Märchen liest sie, die als Kind ich las;
Ihr Antlitz glüht, es ziehn durch ihren Sinn
Schneewittchen, Däumling, Schlangenkönigin.
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Kein Laut von außen stört; 's ist Feiertag –
Nur dann und wann vom Turm ein Glockenschlag!
Nur dann und wann der mattgedämpfte Schall
Im hohen Gras von eines Apfels Fall!
Da kommt auf mich ein Dämmern wunderbar;
Gleichwie im Traum verschmilzt, was ist und war:
Die Seele löst sich und verliert sich weit
Ins Märchenreich der eignen Kinderzeit.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Geibel, Emanuel. Gedichte. Gedichte und Gedenkblätter. Vermischte Gedichte. Zweites Buch. Mittagszauber. Mittagszauber. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-C128-F