[113] [115]II FRÜHLINGSWENDE

Vor keinem windeszug bebt der hain.
In der frühe fiel leiser regen ..
Nun rinnt der blätter feuchte zu tropfen
Und tränkt die erde in kleinen pausen.
Die sonne versucht mit feinen strahlen
Der eichen dichtes dach zu durchdringen
Ob sie verdächtige sümpfe spähe
Bekränzte rinder die mählich verenden
Seitenpfade gleitend von blut
Und ob der göttlichen fordrung genüge
Der flammenden herde steigender rauch.
[115]
Ein greis in priesterlichem ornate
Erscheint im hain .. der Alleingeborene
In stolzer gewande beschwerlicher würde
Befolgt ihn am arme knabenhaft folgsam.
– Es ist sein fest .. der tag ist gekommen
Wo beide bilder er schauen soll.
Schon seit dem erwachen verkündeten opfer
Und alter bräuche glücklicher ausspruch
Des hohen lenkers versöhnung und gunst.
Im schweigen das grosser handlung vorangeht
Gemessen sie zum heiligtum schreiten
Wo uralte wipfel zur wölbung sich schliessen:
Die stämme mit rätselvollen emblemen.
Siehst du die Hehre in männerrüstung?
Die wilde kraft entzündenden brauen?
Der freigeborene guten samens
Empfindet sie und kennt sie für immer.
Zum erstenmal schwing die gewaltige axt
Die schwacher jugend wesen vernichtet
Und fortan ziere dies schwert deine gurt!
Der sohn dankt mit gehorsamer zunge
Mit kindes unbewusster list
Froh weil ahnend dass froh er sein soll.
Er erntet umarmung und warmen segen
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Und lang noch hebt sich stumme sammlung
Der beiden beter empor zu der säule.
Sie wandeln weiter zum andern tempel.
Am eingang stehen holunderbüsche
Die bei der berührung wolken wirbeln
Und leise lispeln und sündenah:
Du bist ein mann nun und kühnen auges
Magst du entschleierte reize beschauen ..
Sie lohnen mit weichen küssen den starken.
Verachte wen stets ihre bande erschlaffen!
Ein tor wer ganz ihren spenden entsagt!
Des jünglings blicke mit solcher verwirrung
Sich vor dem bilde zu boden senken
Dass gar die lippe dem lachen feindlich
Ein flüchtiges zucken nicht überwand:
Wenn heute nach dem freudengelage
Der reizenden sklavin atem dich wärmt
Dann hast du das scheue pochen vergessen
Dann wird auch diese göttin dir klar.
[117]
Pflichtentbunden entflieht der jüngling
Langer riten heiligem zwange
Wieder herr seiner wünsche und tritte
Freuden zu frönen die lebhaft am morgen
Vor ihm gegaukelt und deren erwartung
Während der weihen geduld ihm verlieh:
Drüben am grünumgitterten weiher
Wo er so oft in einsamer freiheit
Selig gestalten und taten gesponnen
Und auf behaglichem fittich entsandte:
Wo der minze blätter ihn locken
Strenger duft verborgener bollen
Und des schilfes formsames feld.
Als er die wiese kürzend durchteilet
Gewahrt er nicht Sie noch in sicherer ferne
Die lästig oft seine bahnen kreuzte?
Und die nach der kindheit albernem spiele
Er mied und nie mehr verstehen konnte?
Die oft mit worten und mienen ihn störte
Ihm ohne bedeutung müssig und quälend
Die hinter mütterlichem lächeln
[118]
Wenn überraschendes auge nahte
Den glühenden willen weise verbarg.
Wonnejauchzend empfing sie die kunde
Dass als Erlesener ihr nun erblühe
Was ihre mühe segenlos suchte.
Kalter monde mässigem laufe
Folgte sie brennend bis endlich erwachte
Feiertag! jagender pulse schaffung!
Früh hat sie noch des schmuckes entbehrend
Lauernd in den geländen geharrt
Aus seinen blicken und mienen zu lesen
Einmal vor der siegreichen nacht.
Die dunkel vom vater verheissene kennt er.
Er faltet in schüchternem missmut die stirn.
Ich werde sie heut ja gehorsam noch dulden.
Was will sie den glücklichen mittag mir rauben
Den wol ich verdient nach dem heiligen eifer
Mit dem ich der götter wünsche erfüllt
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Durch lange stunden vor ihren altären?
Ihr weichend seine schritte er wendet
Und sucht im walde den längeren pfad.
Er springt die schattige böschung hinunter
Zum lieben orte wo er nur herr ist.
Er rastet auf niedergeschlagenen ästen
Die hohlen rohre kunstvoll er schneidet
Im ruhigen fluss der gedanken froh.
Der kommende abend nur trübt ihm den frieden
Vor männer händedrücken ihm graut
Und vielen ihm unnütz entzogenen silben.
Ihn kümmert wenig der festesjubel
Und nächtig bei bannendem gelage
Der becher und redenden trinker lärm
Der würdigen sänge heisere töne
Und drauf die hochgepriesenen freuden
Die kaum er ahnt die lieber er miede ..
Im wasser inmitten der blassgrünen algen
Und schwanker zum ufer getriebener blumen
Erblickt er nur immer sein eigenes bild.

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TextGrid Repository (2012). George, Stefan. Gesamtausgabe der Werke. Die Fibel. Auswahl Erster Verse. Zeichnungen in Grau und Legenden. Legenden. II Frühlingswende. II Frühlingswende. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D092-6