15. Der Rabe und die Pfauen

Auf eines Fürsten Hof ging eine Herde Pfauen;
Ein Aufzug, welchen anzuschauen
Kein Auge müde ward; denn jeder trug sein Rad,
Mit Farben, wie sie nur der Regenbogen hat,
Gebreitet hinter sich, ein wenig stolz darauf!
Aus den empor gestiegnen Rädern
Entfielen wunderschöne Federn,
Und nicht umsonst! Ein Rabe las sie auf
Und schmückte heimlich sich damit,
Und ging, mit abgemeßnem Schritt,
In die Versammlung rechter Pfauen;
War auch ein wenig stolz, und ließ sich auch beschauen.
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Allein man kannt' ihn allsobald;
Nahm ihm den fremden Zierrat ab,
Biß ihn gelinde, gab
Dem armen Dieb die vorige Gestalt.
So leicht gestraft, ging er mit großen Freuden wieder
In die Gesellschaft seiner Brüder.
In dieser aber kam er noch weit übler an:
Denn sein Vergehen war den Raben kund gethan.
Sie stehn umher um ihn, sie lachen, spotten, schrein:
Herr Pfau! Herr Pfau! Herr Pfau! sie hauen auf ihn ein,
Und raufen ihm, einmütig, mit Gewalt,
Die eignen und die fremden Federn aus.
Der arme Schelm entflieht in eines Dichters Haus,
Und rettet sich, allein in kläglicher Gestalt!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Gleim, Johann Wilhelm Ludwig. Gedichte. Fabeln. Viertes Buch. 15. Der Rabe und die Pfauen. 15. Der Rabe und die Pfauen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-D8E2-0