[26] Als sie Amarant auf der Reise vermuthete

Mit Geschrei, verirrter Pilgrim, schweben
Wilde Gänse auf des Adlers Bahn,
Alle Fenster, alle Thüren beben
In den Hespen, und der Wetterhahn
Drehet kreischend auf des Giebels Spitze
Sich in kurzen Kreisen, und der Sturm
Stört hervor, aus tiefer Mauerritze,
Eul' und Käuzchen auf dem Kirchenthurm'.
In die Wette mit einander wehen
Alle Winde; Schneegestöber füllt
Erd' und Himmel; wie die Leichen stehen
Thürm' und Meilenzeiger eingehüllt.
[27]
Bläst der Sturm nicht an der Himmelshöhe
Selbst das Licht von allen Sternen aus?
Wehe, meinem armen Freunde, wehe,
Trieb ihn heute seine Lieb' heraus!
O wie will er durch zwei lange Haine,
Und drei tiefe Flüsse, heute sich
Zu mir finden? Arme Nante, weine,
Denn um wen das alles, als um dich?
Und vielleicht, daß im verschneiten Graben
Er vergebens itzt um Hülfe schreit,
Oder umgerissen ihn die Fluten haben,
Wo kein Fischer seine Hand ihm beut.
Werdet still, ihr Winde! Nimm die Hülle,
Lieber Mond, von deinem Antlitz' ab!
Aber horch! was trappelt? – Stille! stille! –
Horch! – O Himmel! seines Rappen Trab!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Lieder zweier Liebenden. Erstes Buch. Als sie Amarant auf der Reise vermuthete. Als sie Amarant auf der Reise vermuthete. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-DF56-7