[77] Wiegenlied, für die süßen Herren

Schlummre, du duftendes Herrchen,
Schlummre, du plapperndes Närrchen,
Hast dich ja ritterlich müde gehüpft!
Hast bei den Spielen um Pfänder
Mühsam gekniet, und Bänder
Ueber die Wade der Schönen geknüpft.
Hast du geschlummert: So tödte
Hurtig den Morgen, und röthe
Blaßbleiche Damen im leichten Corset.
Ist erst vertändelt der Morgen:
Püppchen! dann bist du geborgen!
Spielst du doch l'Hombre und strickest Filet!
[78]
Spiel' du am Abend Romanen,
Schwatze von deinen zwölf Ahnen,
Willst du galant und ein Edelmann seyn.
Schlafen und essen und trinken,
Spielen, sich putzen und schminken,
Siehe! das heißet des Lebens sich freun!
Fort mit den Büchern zum Teufel!
Bücher erregen nur Zweifel,
Zweifeln führt endlich dem Todtschießen zu.
Nimm du ein Beispiel an Schafen;
Wie sie nicht hüpfen und schlafen!
Sind sie gleich lange so klug nicht, wie du.
Schläfst du denn noch nicht? Zum Henker!
Machst du nun vollends den Denker?
Sicherlich hat dich ein Spieler geprellt!
Hast du drum Sorgen? Hab' keine!
Wisse, Verdienste, wie deine,
Gelten bei Damen noch immer ihr Geld.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goeckingk, Leopold Friedrich Günther von. Gedichte. Lyrische Gedichte. Erstes Buch. Wiegenlied. Wiegenlied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E270-8