Als ein geschickter Rechtsgelehrter zu Halle 1730 den Doctorhut erhielt

I.f.N.


Wie freudig hör ich doch, vertrautgeliebter Freund!
Daß dein gelehrtes Haupt im Doctorhut erscheint;
Und daß dir Themis selbst, für deinen Fleiß in Rechten,
Den Putz der Lehrer schenkt, und um das Haupt will flechten.
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Ich sag es noch einmal, Freund! ich erfreue mich!
Denn wer dein Wesen kennt, der rühmt und lobet dich,
Daß du dir endlich auch den Schmuck belieben lassen,
Der deine, Scheitel itzt so würdig kann umfassen.
Nun kehr ich wieder um, und gebe gar nicht mehr
Der alten Tadelsucht der frechen Welt Gehör,
Die alle Titel schilt; als ob ihr hoher Orden
Zu zahlreich, zu gemein, und ganz verächtlich worden.
Ich leugne solches nicht, ich hab es mitgemacht;
Weil ich den seichten Grund des Urtheils nie bedacht,
Nie reiflich überlegt. Itzt will ich mich bemühen,
Und ihm den ganzen Schein der Richtigkeit entziehen.
Ja, spricht man, dazumal verstund man noch dasJus,
Als noch Tribonian, als auch Accursius,
Nach vierzig Jahren kaum zu sagen sich erkühnten,
Daß sie der Themis recht, wie sichs gehörte, dienten.
Nun aber dünkt sich ja ein junger Practicus,
Der kaum recht schreiben kann, so klug, als Bartolus;
Und stürbe fast vor Scham, dafern ihn die Clienten
Schlecht weg, Herr Advocat, und nicht Herr Doctor nennten.
Zum Theil hat man schon recht. Was Rang und Ansehn giebt,
Ist unsrer stolzen Zeit weit mehr, als je, beliebt.
Man borgt und bettelt Geld, dafür zu promoviren,
Und hungert herzlich gern, den Staat nur auszuführen.
Kein Wunder! daß darnach, wer schwere Beutel hebt,
Der armen Kunst zu Trotz, bey reicher Thorheit, strebt;
Und, weil die Jungfern auch nach Rang und Titeln wählen,
Sehr viele Hut und Ring, die Braut zu äffen, stehlen.
Daher entsteht denn auch ein großer Uebelstand,
Der Graduirten Zahl nimmt täglich überhand:
Und könnte mit der Zeit zu einer Last der Erden,
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Wie sonst das fromme Stift der Tempelherren, werden.
Die Jugend stürmt ja schon der Themis Aufenthalt:
Ihr Schwert beschützt sie nicht vor dringender Gewalt.
Die Kränze werden ihr leicht aus der Hand gewunden:
Was Wunder? sind ihr doch die Augen zugebunden.
Doch hebt ja den Gebrauch der Misbrauch niemals auf:
Wer schilt die Kaufmannschaft im Handel, Kauf, Verkauf;
Ob gleich sich hier und da Betrüger eingeschlichen,
Aus deren ganzem Thun die Billigkeit entwichen?
Es schmückt der Lehrerhut noch manche kluge Stirn,
Und giebt er, wenn es fehlt, gleich selber kein Gehirn:
So trifft mans doch noch oft, wie guten Wein bey Kränzen,
Wo man die Scheitel sieht mit diesem Schmucke glänzen.
Genug! dein Beyspiel selbst, mein Freund! bestärket mich,
Du raubst der Themis nichts, sie selber liebet dich.
Dein Witz, dein Aemsigseyn und dein gelehrtes Wachen
Kann dir der Göttinn Huld und Herz zu eigen machen.
Da hast du nun den Lohn, da hast du nun die Frucht,
Darnach du längst gestrebt, die du so sehr gesucht.
So pflegt in der Natur nach Schweiß und Samenstreuen,
Den Schnitter bald darauf die Aernte zu erfreuen.
Glück zu, belohnter Freund! die Wohlfahrt folge dir,
Dein werthes Vaterland, dein Frankfurt winket mir;
Und will, ich soll dich nur zu fernerm Fleiß entzünden,
Den Lohn dafür sollst du in seinen Mauren finden.
Du thust es von dir selbst; drum schweig ich mit Bedacht,
Und da auch Venus oft den Themis kindern lacht:
So wünsch ich, wenn du selbst es wirst für rathsam schätzen,
Daß dich die schönste Braut aus Frankfurt mag ergetzen.

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TextGrid Repository (2012). Gottsched, Johann Christoph. Gedichte. Gedichte. Poetische Sendschreiben. Als ein Rechtsgelehrter Doctorhut erhielt. Als ein Rechtsgelehrter Doctorhut erhielt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-E441-2